
Gegen Alzheimer impfen und damit die fürchterliche Zerstörung des Gehirns verhindern – bleibt es ein Traum? Gleich vier große Patientenstudien mit zwei Antikörpern endeten enttäuschend.
Eine große Überraschung war es nicht mehr, seitdem die Pharmaindustrie im Sommer 2012 ihr Programm zur Entwicklung des Antikörpers Bapineuzumab eingestellt hatte. Seinerzeit hatte Pfizer, das die beiden Studien zur passiven Impfung von 2400 „wahrscheinlichen“ Alzheimer-Patienten zusammen mit der Firma Janssen finanziert hatte, das Ende seiner Immunotherapieversuche bekannt gegeben. Die Enttäuschung ist bei den Klinikern jetzt noch größer, die Pleite nicht mehr von der Hand zu weisen: Nach der deatillierten Auswertung der Bapineuzumab-Ergebnisse sind jetzt im „New England Journal of Medicine“ noch zwei weitere frustrierende Groß-Studien mit dem Antikörper Solanezumab von Eli Lilly publiziert worden. Fazit: Ein “Impfstoff“, der den schon mehr als 30 Millionen Alzheimer-Opfern helfen könnte, wird es auf absehbare Zeit nicht geben.
An insgesamt 4000 Patienten zwischen 50 und 88 Jahren wurden nun Antikörper systematisch getestet. Über fast anderthalb Jahre und im Abstand von jeweils 13 Wochen erhielten die Patienten die potentiellen Medikamente gespritzt. Vor während und nach den Infusionen der Antikörper ins Blut mussten die Patienten einen standardisierten Test absolvieren – Denk- und Gedäcntisleistungen sollten in regelmäßigen Abständen verglichen werden. Doch keiner der beiden Antikörper, die sich in den Tierversuchen vor Jahren noch als die vielversprechendsten Kandidaten für eine passive Immunisierung erwiesen hatten, führte zu messbaren kognitiven Verbesserungen. Der Grund? Genau weiss es keiner. Möglicherweise, so glauben die Mediziner, war die Krankheit bei vielen Alzheimer-Patienten schon zu weit fortgeschritten, ein gutes Viertel der Patienten in den Phase-III-Studien litt offenbar gar nicht an der Alzheimer-Demenz, die mit einer übermäßigen Ablagerung von fehlgebildeten und zu Entzündungen führenden Amyloid-Beta-Proteinen im Gehirn und der Bildung von sogenannten Tau-Fibrillen einhergeht. Die beiden Antikörper sollen die Amyloid-Beta-Anreicherung schon im Blut verhindern oder – zumindest Bapineuzumab – die Proteinablagerungen in den Plaques rückgängig machen. Überwacht wurden die Patienten durch Messung von Biomarkern im Blut und durch Aufnahmen des Gehirns mit PET-Scannern.
Zumindest bei einem Teil der Behandelten hat man zeigen können, dass eine Immunreaktion eingesetzt hat. Bei einigen Patienten, die genetsich ein hohes Alzheimer-Risiko tragen, hat man auch zumindest Stoffe in der Hirnflüssigkeit gemessen, die daraufhin hin deuten, dass die Ablagerung von Amyloidplaques in einigen Hirnregionen während der Antikörpergabe nicht weiter fortgeschritten war. Aber die Behandlungserfolge waren ernüchternd, Schrumpofungen des Gehirns wurden nciht aufgehalten und Therapiefortschritte waren quasi nicht messbar.
Obwohl nun mehr denn je infrage steht, welche Rolle die Amyloidplaques im Krankheitsgeschehen spielen, ob sie die Hauptrolle am Absterben der Nervenzellen im Gehirn spielen, glaubt einer der Hauptautoren, Stephen Salloway von der Brown University, dass man mit den Impfversuchen fortfahren und sie zum größeren Nutzen der Patienten mit etablierten – kaum bisher auch wirksamen – Alzheimer-Medikamenten wie Betasekretase-Inhibitoren zu kombinieren: „Bei anderen komplexen Krankheiten wie Krebs und HIV haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass Wirkstoff-Kombinationen einen Fortschritt bringen.“ Bislang weiss man allerdings nocht nicht einmal, ob solche Kombi-Präparate überhaupt sicher genug wären. Eli Lilly hat zumindest eine weitere Phase-3-Studie „Expedtion 3“ mit ihrem Impfstoff gestartet. Mit einer besseren Auswahl der Alzheimer-Patienten im Frühstadium will das Unternehmen versuchen, die Impfstrategie bei Hochrisikopatienten zu optimieren.
