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„Jede Form der Selbsttötungshilfe muss verboten werden“

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Zuwendung und bestmögliche Pflege statt Selbsttötungshilfe – das fordert Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im F.A.Z.-Interview. Beihilfe zur Selbsttötung sei ein Verstoß gegen die gesamte Wertordnung.

Herr Minister Gröhe, in der vergangenen Legislaturperiode ist ein gesetzliches Verbot der organisierten Sterbehilfe aufgrund von Differenzen zwischen der Union und der FDP, namentlich der früheren Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, gescheitert. Die Union wollte jede organisierte Sterbehilfe verbieten, die FDP nur die gegen Entgelt. Wird sich die CDU-Position in der großen Koalition nun durchsetzen?

Die letzte Legislaturperiode hat sicher gezeigt, dass es gut ist, diese Frage wie andere Fragen des Lebensschutzes nicht nach Fraktionen getrennt zu diskutieren. Deswegen wird es jetzt auch eine oder mehrere überfraktionelle Parlamentsinitiativen geben. Es dürfte unterschiedliche Positionen in beiden Koalitionsfraktionen geben. Aber es geht nicht darum, dass sich eine Seite in der Koalition durchsetzt. Das Thema ist bedrängend, weil es existentielle Fragen berührt. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete wird hier dem eigenen Gewissen folgen. Meine Überzeugung ist, dass nicht nur die erwerbsmäßige – also ein besonders verwerfliches Geschäftemachen mit der Lebensnot von Menschen –, sondern jede Form der organisierten Selbsttötungshilfe verboten werden muss. Schwerstkranke und sterbende Menschen brauchen in ihrer letzten Lebensphase liebevolle Zuwendung und bestmögliche Pflege. Sie können sich darauf verlassen, palliativmedizinische Hilfe, zu der auch das Lindern von Schmerzen gehört, zu bekommen.

Wie begründen Sie Ihre ablehnende Haltung zur Sterbehilfe?

Unsere Rechtsordnung verpflichtet dazu, Leben und Würde der Menschen zu schützen. Daher gilt ein generelles Tötungsverbot. Das schließt die Tötung auf Verlangen ausdrücklich ein. Die Selbsttötung ist dagegen straffrei, weil unsere Rechtsordnung vor solchen menschlichen Lebensdramen schweigt. Auch die Beihilfe zur Selbsttötung ist straffrei. Aber es ist etwas anderes, wenn die Beihilfe organisiert angeboten wird und die Selbsttötung damit gleichsam als eine Behandlungsvariante neben schmerzlindernde Medizin und andere Hilfen tritt. Dies tangiert unsere gesamte Wertordnung.

Deutschland ist weltanschaulich plural. Nach einer Umfrage gibt es bei einer Mehrheit den Wunsch nach der Möglichkeit, Hilfe dabei zu erhalten, den eigenen Tod herbeizuführen, ohne dass man sich etwa vor einen Zug werfen muss. Warum soll Menschen diese Möglichkeit verwehrt bleiben?

Es kommt darauf an, ob wir wollen, dass eine Vereinigung die Tötungshilfe als Serviceangebot unentgeltlich oder entgeltlich anbieten darf. Es ist in Deutschland erlaubt, lebenserhaltende Maßnahmen abzubrechen, wenn der Patient dies wünscht. Auch schmerzlindernde Therapien, die das Risiko einer Lebensverkürzung in Kauf nehmen, sind zulässig. Aus den Umfragen spricht natürlich auch die Angst, den Angehörigen zur Last zu fallen. Aber wollen wir in unserer Gesellschaft den Gedanken fördern, menschliches Leben falle anderen zur Last? Gilt das dann auch für behindertes Leben? Ich will das nicht.

Wenn jemand aus freiem Willen sterben will, weil er seine eigene Situation nicht mehr erträgt, sollten dann Ärzte die Möglichkeit haben, Menschen den Weg in den von ihnen gewünschten Tod bahnen?

Eindeutig nein. Denn gerade ärztlich assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen wären kaum zu trennen. Zudem würde das auf Lebenserhaltung ausgerichtete Arztbild in unserer Gesellschaft insgesamt erschüttert. Der Arzt hat die Aufgabe, Leben zu schützen. Daran möchte ich unbedingt festhalten. Es ist tragisch, dass sich in Deutschland knapp 10000 Menschen im Jahr häufig auch als Folge seelischer Erkrankungen das Leben nehmen. Organisierte Lebensbeendigungsangebote können zu einer Bewusstseinsverschiebung in der Bevölkerung über den Wert des Lebens insgesamt führen.