
Als sich Gerhard Schröder im März 2003 zur „Agenda 2010“ entschloss, vollzog der Dax eine rasante Wende. Steht französischen Aktien nun ein ähnlicher Aufschwung bevor? Der Bericht von den internationalen Finanzmärkten.
Gerade angelsächsischen Anlegern hat sich ein Titelbild der britischen Zeitschrift „Economist“ aus dem November 2012 eingeprägt. Es zeigt sieben Baguettes, aufgestellt im Kreis wie Holzscheite und zusammengebunden mit der französischen Nationalflagge. In der Mitte brennt eine Lunte, die das Ensemble zu sprengen droht. Die Baguette-Bombe, wie Anleger das Titelbild getauft haben, steht für einen mangelnden Reformwillen in der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft, der den ganzen Euroraum bedrohte. Anfang des Jahrtausends hieß Deutschland „der kranke Mann Europas“. Nun heißt Frankreich, in Anlehnung an das nationale Symbol „Marianne“, die kranke Frau Europas. Diese Wahrnehmung könnte sich jetzt ändern.
Der französische Aktienindex CAC 40 hat im Vergleich zum Deutschen Aktienindex Dax in den vergangenen Jahren schlecht abgeschnitten. Der CAC 40, der Dividendenzahlungen außer Acht lässt, steht heute mit 4328 Punkten 80 Prozent höher als im März 2003. Der Dax ist, wenn man auch hier die Dividenden herausrechnet und auf den weniger beachteten Dax-Kursindex schaut, seit März 2003 um 220 Prozent geklettert. In der tiefen Wirtschaftskrise 2008 fiel der CAC 40 bis auf 2520 Punkte. Von März 2009 an, dem Beginn des seither andauernden Aktienaufschwungs, stieg der CAC 40 um 70 Prozent. Der Dax-Kursindex legte in diesem Zeitraum um 120 Prozent zu. Dem CAC 40 fehlen heute noch 40 Prozent zu seinem Hoch aus dem Jahr 2000. Der Dax-Kursindex steht weniger als 20 Prozent unterhalb des Niveaus, das er auf dem Höhepunkt der Internetblase im März 2000 aufwies.
Hollande will seine Politik beschleunigen
Natürlich hat die bessere Wertentwicklung deutscher Aktien nicht nur mit Politik zu tun. Aber Anleger haben lange vergeblich Frankreichs Präsident François Hollande zu ähnlichen Reformen aufgefordert, wie sie Gerhard Schröder als deutscher Bundeskanzler am 14. März 2003 im Bundestag unter der Überschrift „Agenda 2010“ ankündigte und anschließend umsetzte. Doch Hollande zauderte und zauderte. Während zum Beispiel Spanien an seinen Wettbewerbsschwächen, etwa den hohen Lohnstückkosten, gearbeitet hat und heute mehr exportiert als Frankreich, setzt man in Frankreich auf den öffentlichen Dienst. Fast 60 Prozent der erwirtschafteten Leistung eines Jahres (BIP) gibt dort der Staat aus. Das Staatsdefizit fällt regelmäßig höher aus, als die Regierung vorhersagt. Wenn das Defizit allzu stark zu steigen droht, werden Steuern erhöht. So geschah es etwa im November 2012, als die Regierung auf Vorschlag des Unternehmers Louis Gallois die Unternehmen bis zum Jahr 2015 immerhin um 20 Milliarden Euro entlastete.
Nun hat Hollande am vergangenen Dienstag eine deutlichere Kehrtwende vollzogen, die viele Kommentatoren an Schröders Kurswechsel im März 2003 denken lässt. Hollande selbst allerdings spricht von einer „Beschleunigung“ seiner Politik. Tatsächlich wird die schon ausgesprochene Entlastung der Unternehmen von 20 Milliarden Euro auf die nun in Aussicht gestellten 30 Milliarden Euro angerechnet. Aber diesmal bleiben Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung aus. Stattdessen soll der Staat sparen. Immerhin ging als Reaktion auf diese ersehnte politische Wende die Rendite für französische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit auf 2,4 Prozent zurück. Sie liegt damit nur noch 0,7 Prozentpunkte über der von Bundesanleihen.
Rückschläge für Anleger in Schwellenländern
Der CAC40 aber blieb auch in der vergangenen Woche mit 1,8 Prozent Zuwachs hinter dem Dax mit plus 2,8 Prozent zurück. Der „normale“ Dax, der Dividenden berücksichtigt, steht längst höher als im Jahr 2000. In der vergangenen Woche fügte er mit 9780 Punkten einen weiteren Rekord an eine lange Kette von Höchstständen an. 10.000 Punkte könnte der Dax schon bald erreichen. Doch etwas Gegenwind für die Aktienmärkte kommt aus Amerika. Nur 60 Prozent der 28 Unternehmen im Aktienindex S&-P 500, die in der vergangenen Woche Geschäftszahlen für das vierte Quartal 2013 vorlegt haben, konnten die Erwartungen an Gewinn und Umsatz übertreffen. Vor allem Banken wie Citigroup und Goldman Sachs enttäuschten. S&-P 500 und Dow Jones gaben im Wochenvergleich um 0,2 und 0,1 Prozent nach.
Deutlich größere Rückschläge müssen Anleger in den Schwellenländern hinnehmen. Auf dem Devisenmarkt fiel die türkische Lira auf den tiefsten jemals erreichten Kurs zu Dollar und Euro, und der südafrikanische Rand kostet so wenig wie seit Oktober 2008 nicht mehr. Der australische Dollar, für viele ein Symbol für den offenbar beendeten Rohstoffboom, ist in Dollar so günstig wie zuletzt vor dreieinhalb Jahren. Immerhin hat der brasilianische Real kräftig aufgewertet. Die Zentralbank hat am Dienstag den Leitzins zum siebten Mal auf nun 10,5 Prozent erhöht. Damit lockt sie offenbar Geld nach Brasilien.
