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Wie Blasen am Immobilienmarkt entstehen

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In einigen deutschen Großstädten sind die Preise für Wohnungen übertrieben hoch. Doch für eine richtige Blase fehlt ein entscheidender Faktor. Eine Analyse.

Die Bundesbank schlägt Alarm“, titelten einige Medien, als die Währungshüter jüngst eine Studie zum deutschen Wohnungsmarkt vorlegten. Die Bundesbank-Ökonomen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die seit 2010 kräftig gestiegenen Preise für Wohnungen inzwischen überteuert seien. Im Gesamtmarkt sehen sie zwar nur eine Überbewertung von 5 bis 10 Prozent gegenüber den Preisen, die nach ökonomischen und demografischen Faktoren gerechtfertigt wären. In attraktiven Großstädten –genannt wurden München, Hamburg und Berlin sowie Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und Köln – gebe es aber eine Überbewertung um bis zu 20 Prozent, heißt es im Monatsbericht der Bundesbank. Gleichwohl erwartet sie, dass der Preisdruck zunächst weitergeht. Denn das Angebot an neuen Wohnungen kommt nicht mit der hohen Nachfrage mit.

Bei „möglichen Preiskorrekturen“, so die Bundesbank-Volkswirte, könnten Wohnungseigentümern aber „empfindliche Vermögensverluste“ drohen. Starke Worte für eine Institution, die ihre Aussagen stets sehr sorgfältig wägt. Manche Formulierung in dem Bericht klang tatsächlich nach „Blasen-Alarm“. Doch so wollte es die Bundesbank nicht verstanden wissen. „Eine Überbewertung von vielleicht 5 Prozent im Gesamtmarkt ist keine Blase“, sagt Thomas Knetsch, einer der Autoren der Studie. Diese Gesamteinschätzung gelte „auch dann, wenn in einzelnen Großstädten Überbewertungen von bis zu 20 Prozent gemessen werden“. Und größere makroökonomische Risiken gebe es vom Wohnungsmarkt bislang nicht.

Auch Ökonomen sehen keine gefährliche Blase

Der Ansicht, dass akut „empfindliche Vermögensverluste“ durch eine Preiskorrektur drohen, haben andere Volkswirte und Analysten umgehend widersprochen. „Das sehe ich nicht“, sagt Michael Voigtländer, Leiter der Abteilung Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Bei einer richtigen Preisblase, die platzen könne wie in den Vereinigten Staaten 2007, spielten „überschäumende Gewinnerwartungen“ und eine hohe Kreditfinanzierung eine Rolle. Beides gebe es hierzulande nicht. Die Deutschen investierten mit einer hohen Eigenkapitalquote und betrachteten Wohnungen und Häuser als langfristige Anlagen.

Auch die Ökonomen der Deutschen Bank sehen keine gefährliche Blase. Zwar seien die Voraussetzungen für einen möglicherweise bedenklichen Boom gegeben: die historisch niedrigen Kreditzinsen, Angst vor einem Inflationsanstieg und, verglichen mit anderen Ländern, noch recht niedrige Immobilienpreise. Doch der Anstieg seit 2008 sei, gemessen an Immobilienpreiszyklen in anderen OECD-Industrieländern, eher moderat. Es sei kein Zeichen einer Übertreibung, vielmehr gebe es eine „Normalisierung“ in Deutschland, heißt es in einer aktuellen Analyse der Bank.

Im Durchschnitt erschwinglich

Üblicherweise operieren Immobilienökonomen mit zwei recht einfachen Indikatoren: der Preis-Miet-Relation und dem Preis-Einkommen-Verhältnis. Die Preis-Miet-Relation blickt auf die Rendite von Immobilien. Wenn die Preise den erzielbaren Mieten davoneilen, sinkt die Rendite – ein Indiz für einen überteuerten Markt. Bislang haben sich die Preise aber nicht von der Mietentwicklung abgekoppelt, stellt die Bundesbank fest. Das Preis-Einkommen-Verhältnis zeigt, wie viele Jahreseinkünfte der Kauf eine Immobilie einen Haushalt durchschnittlich kostet. Diese Kennziffer ist seit den achtziger Jahren bis 2008 deutlich gesunken. In jüngster Zeit steigt sie – doch bislang nur minimal.

Im Durchschnitt des ganzen Landes sind Wohnungen also gut erschwinglich. Doch der Durchschnitt ist nur bedingt aussagekräftig. Er ist durch den Preisverfall in den wirtschaftlich und demografisch schwachen Regionen vor allem im Osten verzerrt. Und es gibt ein starkes Stadt-Land-Gefälle. In den genannten sechs Großstädten sind die Preise seit 2010 um rund ein Viertel gestiegen, zum Teil auch getrieben durch Käufe institutioneller Anleger. Am meisten haben die Preise in Berlin angezogen, dort allerdings von einem recht niedrigen Niveau aus.

Wohnungspreise aufgrund steigender Wachstumserwartungen hoch

Was wären die angemessenen Preise? Die Bundesbank-Volkswirte haben dazu ein Modell mit einer Schätzgleichung gebaut, die aus Angebot und Nachfrage „fundamental gerechtfertigte“ Gleichgewichtspreise für die mehr als 300 Kreise und 93 kreisfreien Städte in Deutschland errechnet. Die Nachfrage wird hauptsächlich bestimmt durch demografische Faktoren, vor allem die Bevölkerungsdichte und die Altersstruktur, sowie ökonomische Faktoren, allen voran die Einkommenserwartungen.

Steigende oder sinkende Einkommenserwartungen wirken sich laut den Bundesbank-Schätzung erst in einer längerfristigen Betrachtung signifikant aus – dann jedoch umso stärker. Den langen realen Verfall der Immobilienpreise von 1996 bis 2006 führen die Bundesbank-Ökonomen vor allem auf die damals eingetrübten Wachstumserwartungen der Bürger zurück. Das Vertrauen in die Kraft der deutschen Volkswirtschaft war tendenziell gesunken, dies dämpfte auch die Immobilienpreise. Nun sind die Wachstumserwartungen wieder gestiegen, das treibt die Wohnungspreise hoch.

Viele Studien haben die große Bedeutung der Zinsentwicklung hervorgehoben, etwa Luca Agnello und Ludger Schuhknecht in „Booms and busts in housing markets“ (Journal of Housing Economics, 2011). Sie haben 18 Industrieländer über einen Zeitraum von fast 30 Jahren untersucht. Zwei Faktoren hatten den stärksten Einfluss darauf, ob ein Boom entsteht: sehr niedrige realen Zinsen und eine stark steigende Kreditentwicklung. Doch bei den Immobilienkrediten kann in Deutschland von Überhitzung noch keine Rede sein. Zwar ist die Nachfrage nach Krediten für Häuser- und Wohnungskäufe etwas gestiegen, doch ist sie insgesamt moderat geblieben. Von daher erscheinen Warnungen vor einer Blase übertrieben.