
Ein Ermittlungsbericht der Polizei kommt zum Schluss: Der frühere Bankchef Rolf Breuer wurde für eine Falschaussage vor Gericht präpariert.
Die frühere Führungsriege der Deutschen Bank rechnet mit einer Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs. Die zuständige Oberstaatsanwältin in München sei offenbar „wild entschlossen“ zu diesem Schritt, heißt es in Verteidigerkreisen. Der Vorwurf: Rolf-Ernst Breuer, Josef Ackermann, Clemens Börsig, Tessen von Heydebreck und der Ko-Vorstandsvorsitzende Jürgen Fitschen, der als einziger noch im Amt ist, sollen durch Falschaussagen vor dem Oberlandesgericht München versucht haben, eine Milliardenklage des mittlerweile verstorbenen Filmunternehmers Leo Kirch abzuwehren.
Die Verteidiger sind zwar noch damit beschäftigt, sich durch die Akten zu wühlen, die die Strafverfolger bei zwei Razzien beschlagnahmt haben. Eingescannt haben die Daten ein Volumen von rund einem Terabyte. Danach haben sie Gelegenheit, noch einmal Stellung zu beziehen. Doch hat die Münchner Kriminalpolizei in einem Ermittlungsbericht zahlreiche Mails aus der Rechtsabteilung des Geldhauses und von externen Rechtsberatern zusammengestellt, die das Misstrauen der Anklagebehörde nähren. Schon das Oberlandesgericht hatte den Managern vorgeworfen, die Unwahrheit gesagt und sich dabei abgestimmt zu haben.
Training durch Scheinverhandlung
Den Dokumenten zufolge haben die Juristen der Bank mit Hilfe von Anwaltskanzleien die früheren Vorstände vor ihrer Vernehmung ausführlich beraten. Für Breuer wurde sogar eigens eine Scheinverhandlung abgehalten, um ihn für seine Aussage zu trainieren. Auch soll mit ihm eine „Storyline“ verabredet worden sein – ein Begriff, den das Internetlexikon Wikipedia übersetzt mit „dramaturgischer Handlungsbogen“ oder „Vorstufe zum Drehbuch einer Seifenopern-Folge“. Die Juristen präsentierten Breuer zudem Vorschläge für konkrete Formulierungen vor Gericht.
Das Finanzinstitut betrachtet all das hingegen als völlig unverfänglich. „Es ist Pflicht der Anwälte, den Sachverhalt aufzuklären und zu diesem Zweck auch Gespräche mit beteiligten Personen zu führen“, heißt es dort. Zeugen seien schließlich gehalten, ihre Erinnerung vor einer Befragung anhand von Unterlagen aufzufrischen. Aber zu keinem Zeitpunkt sei versucht worden, Aussagen inhaltlich zu beeinflussen. Zu Einzelheiten der laufenden Untersuchungen wollte sich die Bank auf Anfrage nicht äußern.
Heikel sind überdies zwei interne Stellungnahmen des namhaften Wirtschaftsanwalts Michael Hoffmann-Becking für das Kreditinstitut. Diese lassen sich so lesen, dass der Partner aus der Sozietät Hengeler Mueller eine zentrale Behauptung Kirchs stützt. Dessen Erben machen nämlich geltend, die Bank habe ein Beratungsmandat von Kirch ergattern wollen und deshalb mit Breuers kritischen Interviewäußerungen zu seiner Kreditwürdigkeit absichtlich dazu beigetragen, dass der Medienkonzern pleite ging – was die Bankmanager vor Gericht stets vehement bestritten haben.
Fitschens Täuschungsabsicht schwer nachzuweisen
Allerdings lassen sich Hoffmann-Beckings Ausführungen auch so deuten, dass er nur vor dem Risiko warnen wollte, dass die Zivilrichter sich der Sichtweise Kirchs anschließen und (wie in einem Zwischenurteil inzwischen auch im Kern geschehen) seiner Milliardenklage stattgeben. Hinzu kommt, dass er in diesem seit zehn Jahren laufenden Rechtsstreit nicht zu den Prozessvertretern der Bank gehört, sondern dafür zwei andere Anwälte aus seiner Kanzlei zuständig sind.
Eine Sonderrolle nimmt Fitschen ein. Er wurde erst nachträglich von den Staatsanwälten ins Visier genommen. Das Oberlandesgericht hatte ihm zwar vorgeworfen, seine Angaben seien „schlicht inkonsistent“ und seine Erinnerung „ersichtlich unrichtig“. Allerdings zeigte er sich vor allem wortkarg, so dass es in seinem Fall besonders schwierig werden könnte, eine Täuschungsabsicht nachzuweisen.
Parallel dazu ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen Fitschen noch immer wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung: Er hatte gemeinsam mit Finanzvorstand Stefan Krause eine Steuererklärung unterzeichnet, in der die Bank Umsatzsteuer zurückforderte – auch für Geschäfte einiger ihrer Kunden, die beim Handel mit Emissionszertifikaten systematisch Steuern hinterzogen hatten. In diesem Verfahren ist ebenfalls noch kein Ende in Sicht.
