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Die Sühne der Banken

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Wer behauptet, die Banker seien ungeschoren durch die Krise gekommen, irrt: Weit mehr als 100 Milliarden Dollar Buße haben sie gezahlt. Viele Chefs sind nicht mehr da. Und noch längst ist nicht alles ausgestanden.

Ein Satz hat sich in der Finanzkrise zur Gewissheit manifestiert: „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.“ Auf diese Erkenntnis hat sich die Gesellschaft, von links bis rechts, geeinigt: Die Banker, die uns das Schlamassel eingebrockt haben, haben erst fette Boni eingesteckt und dann die Welt mit ihrer Gier gegen die Wand gefahren. Gebüßt haben die anderen – im Zweifel die Steuerzahler, so geht die Erzählung weiter, die seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die bestimmende war: Die Banker kommen ungeschoren davon.

Wer für den Schaden aufkommt, das sind die 99 Prozent, so klang es, zu seligen Occupy-Zeiten, auf den Straßen New Yorks. Oder ins Deutsche übertragen: „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, wie die Attac-Aktivisten seinerzeit im Frankfurter Bankenviertel protestiert haben. Ein paar Milliardenklagen und Gerichtsprozesse später zeigt sich: Der Steuerzahler ist nicht der einzige, der blutet, auch wenn der Rettungseinsatz zugegebenermaßen teuer war und ist- eindeutige Zahlen gibt es erst, wenn alle „Bad Bank“ genannten Müllhalden aufgeräumt sind.

Die Annahme jedoch, die Banker kämen billig davon, war voreilig, die Geschichte von der ungesühnten Gier eine Mär. Wohl wahr: Keiner der Topbanker wurde vom Mob gehängt, gottlob. Keiner der großen Bosse landete hinter Gittern, allenfalls niedere Ränge, einzelne Hallodris in den Handelssälen, denen eindeutige Gaunereien nachzuweisen waren. Zur Sühne für unternehmerische Fehlentscheidungen oder missglückte Spekulationen taugt das Strafrecht nur bedingt.

Der Ruf der Banker ist ruiniert

Teuer wird die Sache für die Finanzkonzerne in jedem Fall: Schon jetzt haben allein die Banken in Amerika mehr als 100 Milliarden Dollar ausgegeben für das, was sie in den Jahren bis 2008 angerichtet haben– aufgebrummte Strafen oder Geld, um sich gegenüber der Justiz freizukaufen. Schadensersatz für geprellte Kunden, dazu immense Honorare für Anwälte. Das tut richtig weh. Und damit ist noch lange nicht Schluss: Die Summen werden mit jedem Tag höher, übersteige alles, was die Eigner der Banken, also die Aktionäre, an Dividende zuletzt zu sehen bekamen.

Allein die Bank of America hat mehr als 50 Milliarden Dollar für die Vergangenheitsbewältigung bezahlt, JP Morgan 13 Milliarden Dollar – kein Konzern hat sich je teurer mit den Behörden verglichen. Dagegen wirken die vier Milliarden Euro, mit denen die Deutsche Bank momentan an Schaden aus Rechtsstreitigkeiten rechnet, geradezu niedlich. Die Liste der Vergehen ist lang: Ramsch-Hypotheken in Amerika, der Libor-Skandal in London, Manipulation der Devisenkurse, Steuerhinterziehung.

Die finanzielle Vergeltung freilich ist nur ein Teil der Strafe für die Banker: Ihr Ruf ist fürs erste ruiniert. Genommen wurde ihnen die Ehre, so klagen die Wehleidigen unter ihnen, wenn wieder mal ein Investmentbanker die Mitgliedskarte im Golf-Club abgibt, aus dem Gefühl heraus, verstoßen zu werden von den Kumpels jenseits des Finanzdistrikts. Existenzieller sind die Sorgen jener aus dem Fußvolk, die zu Tausenden ihre Stellen verloren haben: Banken schrumpfen Bilanz wie Belegschaft, auch dies eine Folge der Krise.

Selbst von den Spitzenleuten, den Göttern der frühen Nuller-Jahre, ist nach Skandalen und Pleiten im Finanzdistrikt kaum noch jemand da – in Amerika einzig Jamie Dimon von JP Morgan sowie Lloyd Blankfein von Goldman Sachs. Die Schweizer Großbanken haben ihre Chefetagen durchgefegt, die Briten sowieso. In Holland hat sich mit dem Chef der Rabobank, erschüttert von der kriminellen Energie im eigenen Haus, vorige Woche spontan ein weiterer Banker in den Ruhestand verabschiedet. Und hierzulande?

Commerzbank-Chef Martin Blessing hat sich an der Spitze gehalten

Aus den Landesbanken, die es in Übersee mit „stupid German money“ am wildesten getrieben haben (unter den wohlgefälligen Augen der Politik übrigens), sind reihenweise vermeintliche Topkräfte verschwunden. Etliche von ihnen haben die Justiz an den Hacken: Für BayernLB, Landesbank Baden-Württemberg wie HSH wurden Anklagen gegen mehr als Dutzend ehemalige wie aktuelle Vorstände zugelassen. Bilanzfälschung und ähnlich üble Tatbestände werden ihnen vorgeworfen.

Auf dem Posten geblieben ist dagegen Martin Blessing von der Commerzbank, eine Bank, die sich in TV-Spots fortwährend selbst geißelt für die Sünden in der Finanzkrise, dies es aber nicht hinkriegt, Wert für ihre Eigentümer zu schaffen. Noch hält der Staat als größter Aktionär zu Blessing.

Und dann ist da noch der Sonderfall der Deutschen-Bank – die Ausnahme, wo der Chef der Investmentbanker nicht gefeuert, sondern befördert wurde in den Vorstandsvorsitz: Anshu Jain, der Mann, der in den wilden Jahren den Handelssaal in London kommandiert hat, der die gigantische Geldmaschine konstruiert und die Deutsche Bank an die Weltspitze im Derivatehandel geführt hat. Der Inder war der Beste seines Fachs, ein Weltstar, der auf dem Weg in den Deutsche Bank-Vorstand 200 bis 500 Millionen Euro verdient hat, je nach Sachverständigem. Ausgerechnet dieser Mann predigt nun, dass die Zeit des schnellen Geldes vorbei sei, ohne dass er freilich die Schatten der Vergangenheit abschütteln könnte.

Investoren büßen durch Kursverluste und entgangene Dividenden

Läuft Anshu Jain durch seine Bank, kommt er sich bisweilen vor wie in der Geisterbahn: Hinter jeder Ecke eine böse Fratze, alles alte Geschichten, die ihm das Leben heute schwermachen. So bleibt für den Gewinn – dem eigentlichen Ziel einer Firma – derzeit kaum etwas übrig: Alles geht drauf, um die Kosten für Rechtshändel zu decken. 1,2 Milliarden Euro hat die Bank dafür allein im dritten Quartal dieses Jahr reserviert. Als Profit vermeldete Anshu Jain am Dienstag mickrige 18 Millionen Euro. Die Eigenkapitalrendite ist kaum noch der Rede wert, so weit weg von der 25-Prozent-Marke eines Josef Ackermann wie Müllberge vom Matterhorn.

Wer am Ende dafür haftet, ist auch klar: Nicht der Staat, die Verluste werden sehr wohl privatisiert, auch wenn die Banker ihre Boni aus den Zeiten des Rausches behalten oder längst verkonsumiert haben. Es sind die Investoren, die durch Kursverluste der Aktien wie entgangener Dividenden büßen. Die Eigentümer der Banken sind die Dummen – abgesehen von jenen Glücklichen, die das Parkett rechtzeitig verlassen haben, als die Musik noch gespielt hat, zu den Höchstkursen im Jahr 2007.

Seither sind, von Ausnahmen wie JP Morgan abgesehen, gut und gern 60 bis 70 Prozent des angelegten Vermögens verraucht, bei den Opfern der Commerzbank noch deutlich mehr. Wer als Aktionär seiner Bank brav zehn Jahre die Treue gehalten hat, steht heute meist schlechter da als damals. Ein Sparbuch ist dagegen geradezu eine feine Sache.