Eurokrise

Italien will Geld von den Partnern

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Vor dem EU-Gipfel in Brüssel fordert Italiens Ministerpräsident Letta mehr Finanzhilfe für Krisenstaaten. Der Gipfel sei „eine Gelegenheit, um über ein anderes Europa zu diskutieren“, sagte Letta vor dem italienischen Parlament.

So direkt hat noch nie ein italienischer Ministerpräsident in einer offiziellen Rede Geld von den europäischen Partnern gefordert. Doch Italiens Ministerpräsident Enrico Letta hat in seinem Land mit der breiten Enttäuschung über seinen Haushaltsentwurf für 2014 zu kämpfen. Mehr Wohltaten an die Wähler sind nicht möglich, weil wegen der anhaltenden Rezession die Steuereinnahmen stagnieren, zugleich aber das Haushaltsdefizit gesenkt werden soll (für 2013 wird der Wert von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestrebt).

Für Enrico Letta besteht nun der Ausweg darin, Geld von den anderen europäischen Partnern zu verlangen. Bei der programmatischen Rede zu seinen Zielen für den Europäischen Gipfel hat Letta im italienischen Abgeordnetenhaus angekündigt, dass er beim bevorstehenden Europäischen Gipfel mehr Finanzhilfe für Krisenstaaten fordern wolle. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs sei „eine Gelegenheit, um über ein anderes Europa zu diskutieren“, sagte Letta vor dem Parlament. Mit der Krise seien die Unterschiede zwischen den EU-Staaten größer geworden. Bürokratische Verfahren wie die Aufsicht über die Haushaltspläne könnten dabei nicht helfen.

„Mehr Gleichgewicht zwischen Ländern mit Überschüssen und mit Defizit“

„Der Weg besteht in größerem Gleichgewicht zwischen dem, was von den Ländern mit Defiziten und den Ländern mit Überschüssen verlangt wird“, sagte Letta. Italien werde sich dafür einsetzen, „die Last der Anpassung auf alle Mitgliedsländer zu verteilen“, kündigte der Ministerpräsident an. „Es gibt keinen Fortschritt bei der Aufsicht und der Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitik ohne Mechanismen der Finanzhilfe, mit denen die Durchsetzung von strukturellen Reformen in den Ländern mit Schwierigkeiten erleichtert wird“. Opfer seien gerechtfertigt und akzeptabel, wenn es „eine Belohnung, eine positive Wende, eine Perspektive“ gebe. Um aus der Krise zu finden, sei der Weg richtig, der Verantwortung mit „mehr Solidarität“ verbinde.

Letta sagte in seiner programmatischen Rede im Parlament auch, dass die Forderungen, die er für den bevorstehenden Gipfel verkündet hat, im kommenden Jahr auch Leitidee für die Ratspräsidentschaft Italiens in der zweiten Jahreshälfte sein sollen. Italienische Medien wie etwa das Wirtschaftsblatt „Il Sole 24 Ore“ haben schon berichtet, dass Italien für die Ratspräsidentschaft 2014 ein ganzes Arsenal von Instrumenten auf den Tisch legen will, darunter einen Schuldentilgungsfonds der Währungsunion für die aufgelaufenen Schulden, Eurobonds für künftige Schulden und zudem eine neue Berechnungsweise für das Haushaltsdefizit. Investitionsausgaben sollten von der Defizitgrenze des Vertrages von Maastricht, bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ausgenommen werden. Damit könnte Italien dann wieder höhere Haushaltsdefizite in Kauf nehmen, ohne die Regeln zu verletzen. Dabei würde aber die Gesamtverschuldung steigen. Bis 2014 wird Italien ohnehin schon die Marke von 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten.

Unternehmer und liberale Ökonomen fordern von der Regierung Letta dagegen mehr Kürzungen bei den Staatsausgaben, die mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Zudem seien radikale Reformen zum Bürokratieabbau, für schnellere Justiz und für produktivere Arbeit nötig, damit italienische Unternehmer wieder im eigenen Land investierten und ausländische Investoren wieder ins Land gelockt werden könnten. Doch das gängige Bild von Enrico Lettas Regierung besagt derzeit, dass sie nur mit einem kleinen Schraubenzieher an kleinen Stellschrauben drehe, weil sie Angst habe vor den Konflikten, die mit größeren Reformen verbunden sein könnten.

Bisher hatten Letta und sein Schatz- und Finanzminister Fabrizio Saccomanni immer wieder Hoffnungen auf den Haushalt für 2014 gemacht, von dem schließlich die entscheidenden Wachstumsimpulse für 2014 ausgehen sollten. Doch sowohl die Unternehmer als auch die Gewerkschaften sind enttäuscht, weil die angekündigten Steuererleichterungen von 10,6 Milliarden Euro auf drei Jahre verteilt werden sollen. Für einen italienischen Durchschnittsarbeiter sollen damit für nächstes Jahr maximal 16 Euro monatlich mehr in der Kasse bleiben. Zugleich werden aber Grundsteuer sowie kommunale Abgaben umgestaltet, weshalb viele Italiener statt Erleichterungen neue Steuerlasten fürchten. Die drei nationalen Gewerkschaften Italiens wollen bis November in jeder Region einen halbtägigen Streik gegen den Haushalt veranstalten.