Lebensstil

Breuni-Bär und Exquisit-Etage

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Breuninger ist eines der wenigen deutschen Kaufhäuser, das es mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen kann. Das liegt vor allem am Service. Die Kunden sollen staunen, im Stuttgarter Stammsitz wie im neuen Düsseldorfer Store.

Was staunten die Stuttgarter Kaufhauskunden da, einer nach dem anderen, als sie völlig unerwartet von den in Schwarz gekleideten Verkäuferinnen in diese Hinterzimmer geführt wurden. „Wären Sie an einer Kundenkarte interessiert?“ Die Frage, die heute völlig gewöhnlich klingt, beinahe nervig kam damals, in der frühen Bundesrepublik, vor allem überraschend. Sie klang aufregend.

Eine Stunde dauerte das Aufnahmesystem. Was man da alles ankreuzen musste: Nach dem Beruf wurde gefragt, nach dem Jahresgehalt, am Ende stand die Schnellauskunft über die Kreditwürdigkeit. Es war eine Zeit, als die Verkäuferinnen an jedem anderen beliebigen Kassentresen des Landes noch schwiegen, als noch niemand ihr Kundenkarten-Gemurmel erfunden hatte: „Payback-Karte?“

Mit der ersten Kundenkarte Deutschlands, die Heinz Breuninger erstmals 1959 in seinem Warenhaus vorgestellt hatte, blieb er jahrzehntelang ziemlich allein. „Damals wurden numerierte Papierkarten ausgegeben“, sagt Willy Oergel, der heutige Chef des Unternehmens. „Und die Kunden bekamen am Monatsende für ihren Einkauf eine Rechnung.“ Die Tradition ist bis heute sichtbar: „Sechs von zehn Kunden bezahlen mit der Breuninger-Karte“, sagt Oergel.

Zumindest ist das in Stuttgart so, dem Stammsitz des Unternehmens. Mittlerweile hat das Warenhaus weitere Stützpunkte eröffnet. In Leipzig, in Karlsruhe, an zusätzlichen sieben Standorten und nun, seit vergangenem Donnerstag, auch in Düsseldorf. Aus Breuninger ist eine Kette von Department Stores geworden. Neben den Premiumhäusern von Karstadt, zu denen das KaDeWe in Berlin gehört, ist Breuninger die einzige deutsche Kaufhausmarke, die es mit dem internationalen Vergleich aufnehmen kann, den La Rinascentes in Italien, den Galeries Lafayettes in Frankreich, den Filialen von Harvey Nichols in Großbritannien.

Das liegt nicht etwa an der besonderen Kauflust der Deutschen oder am Modeverständnis der Schwaben. Es liegt vor allem am Service – daran, dass dieses Warenhaus von Anfang an den Charakter eines Erlebnishauses haben sollte. Hier konnten die Stuttgarter im hauseigenen Schwimmbad im Obergeschoss in den siebziger Jahren Spa-Tage einlegen, bevor sie das Wörtchen Wellness überhaupt kannten. Durch die Etagen darunter schossen derweil die gläsernen Aufzüge, es gab den Shuttleservice, der einen nach dem Shopping bis vor die Haustür fuhr, den Kinderfrisör, die Betreuung für Kinder, den „Breuni-Bär“, der im Haus herumzog und die Kleinen bei Laune hielt.

Beim Streben nach Wohlstand in den Nachkriegsjahren lieferte das Haus, das bereits im Jahr 1881 gegründet wurde, den Kunden eine faszinierend glitzernde Lebensvorlage. „Man kann an vielen Orten Kleider kaufen“, sagt Oergel. „Es geht darum, die Menschen im Herzen zu erreichen.“ Man muss sie zum Staunen bringen. Dafür reiste Heinz Breuninger regelmäßig in die Vereinigten Staaten – und kehrte mit neuen Inspirationen zurück: mit den Ideen zu den Kundenkarten, den Restaurants auf jedem Stockwerk, die mittlerweile auch in den Einkaufszentren der Provinz selbstverständlich geworden sind. Über das Stuttgarter Stammhaus kamen sie zum ersten Mal nach Deutschland.

Willy Oergel geht es heute indes vor allem um die richtige Inszenierung, um die Konzentration auf Schwerpunkte. Im neuen Düsseldorfer Haus gibt es fünf Etagen. Da sind zu kaufen: Schuhe, Accessoires, Beauty, Kleidung. Und das war’s. Ansonsten kann man sich noch in der eigenen Maßschneiderei Anzüge fertigen lassen. Oder jene Abteilung nutzen, die passenderweise „Special Service“ heißt: „Sollten Sie für Ihren Einkauf zum Beispiel nur zehn Minuten Zeit haben“, sagt Oergel, „dann bereiten wir dort in separaten Räumen alles vor. Sie brauchen nicht im Haus zu suchen. Aufgrund Ihrer Angaben kennen wir Ihre Marken, Ihre Vorlieben und wissen, für welchen Anlass Sie etwas benötigen.“

Aber zum Beispiel eine Papeterie-Abteilung sucht man im neuen Düsseldorfer Haus vergeblich. Wo sind die Bildbände, das Geschirr, das schöne Spielzeug, das Reisegepäck? Muss ein Kaufhaus nicht für alle Lebenslagen ein Produkt anbieten, damit man es überhaupt ins Herz schließen kann? Nicht überall ist dafür Platz: „Um allein die Sortimente Fashion, Beauty, Schuhe und Accessoires glaubwürdig und attraktiv zu vermitteln, brauchen wir eine Größe von 15.000 Quadratmetern“, sagt Oergel.

So war dann auch das ehemalige Haus, das Breuninger bis 2006 in Düsseldorf unterhielt, mit 2500 Quadratmetern schlicht zu klein. Ob das Sortiment bei den Düsseldorfer Kunden nun noch Wünsche offenlässt? Wer weiß. Auf jeden Fall macht es die Nachbarn nervös: Im Stammhaus von Peek &amp- Cloppenburg hat man auf rund 16.000 Quadratmeter aufgerüstet. Und bei Karstadt, auch nur ein paar Schritte entfernt, kann man jetzt Trend-Marken kaufen.

Gegen die Exquisitabteilungen von Breuninger wird es die Konkurrenz wohl dennoch schwer haben: Schließlich hängt da das Begehrenswerte schlauerweise gleich neben dem Erschwinglichen. Zum Beispiel hängen Lederleggings von The Row – jener Edelmarke, die von Mary-Kate und Ashley Olsen entworfen wird und die in deutschen Häusern selten zu finden ist – neben dem ähnlich rockigen und doch viel preisgünstigeren Pariser Label Zadig &amp- Voltaire. Eine Frau probiert am Donnerstag im vier Stunden alten Kaufhaus gleich mal eine Cape-Weste aus Pelz an, für mehrere tausend Euro. Die Sicherheitsschnur ragt unter dem Fell hervor wie ein Infusionsschlauch, und dennoch lässt sie sich in dem Teil fotografieren, ganz ungeniert mit dem iPhone.

„Es ist uns wichtig, nicht als Luxuskaufhaus verstanden zu werden“, sagt Oergel. „Wir haben qualitativ sehr gute Hemden für 39 Euro im Sortiment und solche für 300.“ Oder Kleider für mehr als 3000 Mark: Als im Jahre 1963 im Stuttgarter Stammhaus die Exquisit-Etage gegründet wurde, hing dort von einem Tag auf den anderen die Prêt-à-porter-Mode aus Paris, die italienischen Designerkleider, und gleich daneben leuchtete „Plaza“: eine eigene Haute-Couture-Abteilung mit den feinsten Roben. Gehalten hat sich „Plaza“ über die Jahrzehnte nicht. Zu mehr als Träumereien konnten diese Roben wohl leider doch nicht inspirieren. Träume sind auf Dauer eben ein ziemlich teurer Service.