
Die New Yorker Wall Street und deren Aktienmärkte befinden sich aktuell in einer kritischen Phase.
Die Aktienmärkte haben sich in den vergangenen Wochen in eine schwierige technische Situation manövriert. Das trifft insbesondere auf den hier abgebildeten Aktienindex S&-P 500 zu. Die technische Analyse kennt eine Vielzahl von Prüfkriterien, deren Beantwortung es im Regelfall gestattet, eine relativ gute Antwort auf diese entscheidende Trendfrage zu geben. Von großer Bedeutung ist die Frage der herrschenden Trenddynamik. Solange sie beispielsweise im Laufe eines Aufwärtstrends zunimmt, so lange ist alles im Lot und der Trend im Normalfall ungefährdet. Lässt aber die Dynamik im Aufwärtstrend nach, dann kann das ein ernstzunehmender Hinweis darauf sein, dass Sand ins Getriebe gekommen ist
Der Feld-Wald-und-Wiesen-Indikator
In meinen Augen kann zum Beispiel der im Chart unter dem S&-P 500 abgebildete MACD (Moving Average Convergence Divergence- ein Feld-Wald-und-Wiesen-Indikator der Technischen Analyse) die Frage nach der herrschenden Trendstärke recht gut beantworten. Je steiler er steigt, desto dynamischer und damit auch stabiler ist der Aufwärtstrend. Je flacher der Anstieg des MACD verläuft, desto geringer ist die Dynamik und desto labiler der Trend. Richtig unangenehm wird es aber oft erst dann, wenn dieser Indikator negative Divergenzen ausbildet. In diesem Fall markiert der Chart zwar noch neue Hochs, der Indikator kann dieser Entwicklung jedoch nicht mehr folgen. Und genau das ist das aktuelle Problem des S&-P 500.
Im abgebildeten Chart zeigen die beiden kurzen grünen Linien diese divergierende Entwicklung. Während der S&-P 500 Anfang August noch ein neues Hoch erreichte, gelang dem Indikator dies nicht mehr. Wir müssen also davon ausgehen, dass die Dynamik des Aufwärtstrends spürbar nachgelassen hat. Scheinbar erfolgten die Kaufentscheidungen der Investoren nur noch vergleichsweise zögerlich und nicht mehr mit voller Überzeugung. Eine unmittelbare Fortschreibung des Aufwärts-trends ist demnach momentan nicht möglich. Noch unangenehmer wird diese Einschätzung, wenn man zusätzlich in Rechnung stellt, dass der MACD auf der Basis von Wochenschluss- und nicht etwa auf der Basis von Tagesschlusskursen berechnet wurde. Damit hat dieses Signal zunächst vor allem eine deutlich größere zeitliche Reichweite.
Ende, aus und vorbei mit der Hausse? Nein, das bleibt unwahrscheinlich. Für eine dauerhafte Trendwende mit für lange Zeit frohlockenden Bären braucht es mehr. Es bleibt deshalb auch ganz ohne Frage bei dem hier genannten, fast erreichten mittelfristigen Ziel von 1700 Punkten und dem strategischen Ziel von 2300 Punkten. Aber wahrscheinlich werden die nächsten Wochen und vielleicht auch Monate etwas rumpelig werden.
Nur in seltenen Fällen setzt sich ein breiter Markt gegen dieses hier gezeigte Signal einer negativen Divergenz des MACD auf Wochenbasis ohne Rückschläge durch. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Manches spricht dafür, dass zumindest die erste Septemberhälfte von einer leicht erholten Tendenz geprägt sein wird.
Apropos September: Ja, er ist der schlechteste Monat. Im Schnitt hat der Dax in den vergangenen 37 Jahren knapp 2 Prozent verloren. Sollte ihm das auch dieses Jahr wieder widerfahren, dann stehen in Kürze Kurse unter 8000 Punkte auf der Tagesordnung. Aber Statistiken haben bekanntermaßen ihre Tücken. Beispielsweise war das Ergebnis des Septembers seit 1976 nur 20 Mal negativ und immerhin in 17 Jahren positiv. Gemessen an dem Stichprobenumfang ist damit wohl die Aussage statthaft, dass diese Statistik so gut ist wie das, was man auch mit einem Pfeilwurf hinbekommen würde: Mal trifft er, mal nicht.
Allerdings liefert interessanterweise auch die Welt der technischen Indikatoren für den Dax derzeit keine so richtig überzeugenden Signale. Was sehr kurzfristig betrachtet wie schon beim S&-P 500 befriedigend aussieht, will auf einer übergeordneten Zeitebene keine richtige Freude aufkommen lassen. Das Chance-Risiko-Verhältnis scheint derzeit eher schlecht und der Dax im Konsolidierungs- beziehungsweise Korrekturmodus zu sein. Die Gefahr einer Trendwende scheint derzeit zwar etwas größer als noch in den vergangenen Monaten zu sein. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario weiterhin relativ gering. Deshalb bleibt mein strategisches Kursziel von 9000 Punkten auch unverändert. Einzig ein Rückfall auf Werte unter 7660 Punkte, meinem analytischen „Stoploss“, könnte es nach dem heutigen Stand der Analyse erstmals ernsthaft gefährden.
Der Autor leitet die Staud Research GmbH in Bad Homburg.
