Gesellschaft

„Es ist ein tiefer Einschnitt“

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Nach vier Jahren packt der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Schnurr die Koffer in Berlin. Als nächstes muss der 29 Jahre alte Parteichef die Wohnung kündigen, seine Mitarbeiter entlassen und auf Jobsuche gehen.

Haben Sie den Schock von Sonntagabend schon halbwegs verdaut?

Ich bin dabei. Komplett verdaut habe ich das noch nicht. Es ist ein tiefer Einschnitt für die FDP, weil sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf Bundesebene nicht mehr vertreten sein wird. Und das hessische Ergebnis ist auch nicht besonders gut.

Auch für Sie persönlich ist es ein tiefer Einschnitt, weil Sie nach vier Jahren im Bundestag ebenfalls kein Mandat mehr haben. Wie geht es für Sie jetzt weiter?

Wie es bei mir weitergeht, muss ich mir in aller Ruhe überlegen. Ich werde mir jetzt einen Arbeitsplatz suchen. Ich habe keinen Arbeitgeber, bei dem ich einfach anklopfen und sagen könnte: Ich bin wieder da.

Ist es da ein Vorteil, dass Sie viele Leute kennengelernt und viele Kontakte geknüpft haben?

Das werde ich super-oft gefragt. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich saß ja im Verteidigungsausschuss, aber für eine Rüstungsfirma will ich zum Beispiel nicht unbedingt arbeiten.

Wie lange haben Sie Zeit zu suchen?

Der neue Bundestag konstituiert sich spätestens 30Tage nach der Wahl, das wäre am 22.Oktober.

Bekommen Sie danach noch eine Art Übergangsgeld?

Ja. Die Diäten werden ohne die Aufwandspauschale weitergezahlt.

Wie lange?

Für jedes Jahr im Bundestag wird das Übergangsgeld einen Monat lang gezahlt, bei mir also für vier Monate. Maximal gibt es 18Monate Übergangsgeld.

Haben Sie Ihre Wohnung in Berlin schon gekündigt?

Nein, das habe ich noch nicht geschafft. Aber das gehört zu den Dingen, die ich als nächstes angehen werde.

Was ist mit Ihren Mitarbeitern in Berlin und in Frankfurt?

Das ist schon dramatisch. Ich habe sechs angestellte Mitarbeiter auf viereinhalb Stellen. Die bekommen noch Geld bis Ende Oktober, danach brauchen sie etwas Neues.

Wird denen ganz normal gekündigt?

Nein. Sie haben einen besonderen Vertrag, der immer nur bis zum Ende einer Wahlperiode gilt.

Das heißt, Ihre Mitarbeiter kannten das Risiko, als sie unterschrieben?

Ja, sie wussten mit Einstellung, dass es vorbei sein kann.

Kommen wir zur FDP. In Frankfurt hat die Partei mit 7,0Prozent für den Bund und 6,3Prozent für das Land besser abgeschnitten. Woran lag das?

Das Frankfurter Ergebnis ist nicht schlecht. Bloß können wir uns davon nichts kaufen. Wir werden uns auch dieses Ergebnis in aller Ruhe ansehen. Wir müssen genau gucken, wo wir in den vergangenen vier Jahren Fehler gemacht haben. Die Frage muss lauten: Was können wir als Frankfurter FDP dazu beitragen, dass der Liberalismus in Deutschland wieder aufersteht?

Dass Philipp Rösler den Parteivorsitz übernahm, fanden Sie damals gut. Wie fällt Ihre Bewertung heute aus?

Ich tue mich schwer damit, das Debakel nur an ihm und dem Spitzenkandidaten Rainer Brüderle festzumachen. Ich glaube, das Ergebnis ist so dramatisch, dass das zu kurz gegriffen wäre. Der Hauptfehler lag im Koalitionsvertrag2009. Wir sind vor der Wahl damals mit dem Ziel angetreten, die Steuern zu senken. Und das haben wir nicht einmal in einer Koalition mit der CDU/CSU geschafft. Wir hätten da viel mehr die Muskeln spielen lassen müssen.

Die Fragen stellte Tobias Rösmann.