Wirtschaft

Reich wie eine Kirchenmaus

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Mehr als 30 Millionen Euro hat Bischof Tebartz-van Elst bislang für seineResidenz ausgegeben. Der Fall zeigt, wie reich die durch Steuergeld versorgte Kirche in Deutschland ist.

Der spektakulär kostspielige Ausbau des Limburger Bischofssitzes treibt selbst Kirchenvertreter zu drastischen Vergleichen. Stadtdekan Johannes zu Eltz beispielsweise sprach in seiner Sonntagspredigt im Frankfurter Dom von nicht weniger als einer „Kernschmelze der Kirche“. Nach einem solchen Vorfall werde kein Stein auf dem anderen bleiben, sagte er voraus.

Alle Erfahrungen mit der katholischen Kirche lehren, dass sich der Dekan in doppelter Hinsicht irren dürfte. Wörtlich genommen, ist nicht zu erwarten, dass eine Abrissbirne die bisherigen Baufortschritte auf dem Domberg niederreißen wird. Und auch im übertragenen Sinne ist höchst unwahrscheinlich, dass die Finanzen der katholischen Kirche grundlegend neu geordnet werden. Warum auch? Viele der deutschen Bistümer zählen zu den reichsten der Welt. Da sind die 31 Millionen Euro für den neuen Bischofssitz – um es mit den Worten eines ehemaligen Chefs der Deutschen Bank zu sagen – „nur Peanuts“.

Auf gewaltige 430 Milliarden Euro schätzt Kirchenkritiker Carsten Frerk das Vermögen der Kirchen in Deutschland, davon soll rund ein Drittel Kapitalvermögen sein. Der Berliner Politologe hat jahrelang zu deren Finanzen recherchiert und schließlich das „Violettbuch Kirchenfinanzen“ geschrieben. Ob seine Schätzung auch nur annähernd zutrifft, lässt sich von außen nicht beurteilen. Das Problem ist, dass nur der Bistumshaushalt öffentlich ist. Das eigentliche Vermögen eines bischöflichen Stuhls bleibt vertraulich. In der Regel kennen nur der Bischof und seine engsten Vertrauten die Zahlen.

Das Vermögen kennen oft nur der Bischof und seine Vertrauten

Auch die evangelischen Landeskirchen haben ihre Finanzen bislang in einen öffentlichen Verwaltungshaushalt und einen nicht-öffentlichen Vermögenshaushalt getrennt. Allerdings stellen die Protestanten gerade auf das neue kirchliche Finanzwesen um, in dem Vermögenswerte und Schulden in einer Bilanz aufgeführt werden. Für Frerk, den die Kirchen als voreingenommen und atheistisch abkanzeln, liegt der Grund für die bisherige Geheimniskrämerei auf der Hand: „Für die Geschäftsidee der großen Kirchen ist Transparenz sehr schädlich. Einer reichen Organisation spendet niemand Geld.“ Die Deutsche Bischofskonferenz konnte am Dienstag keine Angaben zum kirchlichen Vermögen machen. Eine Begründung dafür, warum es in fast allen Bistümern geheim gehalten wird, war auch nicht zu erhalten.

Sollten die Vermögenswerte jemals vollständig öffentlich werden, dürfte eine Tintenpatrone nicht ausreichen, um die einzelnen Positionen auszudrucken. Das über Jahrhunderte angesammelte Vermögen ist vielseitig angelegt, vor allem in Grundstücken, Immobilien, kirchlichen Banken und Tausenden Beteiligungen. Hinzu kommen Erträge aus Erbschaften und Stiftungen, die meist ebenfalls dem bischöflichen Stuhl zugeordnet werden.

Nur die laufenden Ein- und Ausgaben sind gut dokumentiert

Die anderen laufenden Einnahmen und die Ausgaben der Bistümer sind hingegen recht ordentlich dokumentiert. Der größte Posten im öffentlichen Haushalt entfällt stets auf die Kirchensteuer. Im mitgliederstärksten Bistum etwa, dem Erzbistum Köln, macht sie in diesem Jahr drei Viertel der Einnahmen aus. Die Kirchensteuer beträgt in der Regel 9 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer des jeweiligen Kirchenmitglieds, in einigen Bundesländern sind es nur 8 Prozent.

Die Steuer wird über die staatlichen Finanzämter eingetrieben und an die Religionsgemeinschaften weitergeleitet. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz erhalten die Länder für den Verwaltungsaufwand etwa 3 Prozent des Aufkommens. Der Staat dürfte dabei ein gutes Geschäft machen: „Weil die Finanzämter die Einkommensteuer ohnehin ausrechnen müssen, ist die Berechnung der Kirchensteuer nur ein weiterer Mausklick auf dem Computer“, heißt es in der Finanzverwaltung.

Knapp 10 Milliarden Euro Kirchensteuer im Jahr

Im vergangenen Jahr erhielt die katholische Kirche 5,2 Milliarden Euro Kirchensteuer, die Protestanten 4,6Milliarden Euro. Obwohl die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, bekamen die Bistümer im Vergleich mit dem Jahr 2000 knapp 15Prozent mehr, die evangelischen Landeskirchen fast 9 Prozent mehr. Was sich zunächst gut anhört, sorgt in den Kirchen trotzdem für Sorgenfalten. Um die Inflation auszugleichen, hätten die Einnahmen um fast 22 Prozent steigen müssen. Weil das Durchschnittsalter der Deutschen steigt, machen sich die Kirchen zudem wenig Hoffnung auf Besserung. „Es zeichnet sich auf Dauer ein struktureller Rückgang der Kirchensteuer ab, der in der mittel- und langfristigen Finanzplanung der Kirchen berücksichtigt werden muss“, weiß das Erzbistum Köln.

Zum Glück für die Kirchen erhalten sie von den Steuerzahlern weitere großzügige Hilfen. Zu nennen sind beispielsweise jene 460 Millionen Euro sogenannter Staatsleistungen, die ihnen der Fiskus jedes Jahr überweist. Die Staatsleistungen gehen auf ein unübersichtliches Gemisch von Ansprüchen zurück, in erster Linie auf den Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Damit enteignete der Staat die Kirchen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Landesherren unter anderem, die kirchlichen Würdenträger künftig zu besolden. An dem Anspruch der Kirchen auf Entschädigung haben die Jahrhunderte nichts geändert.

Jenseits direkter Zahlungen unterstützt der Fiskus die Kirchen durch einen Verzicht auf Einnahmen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums müssen die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts keine Körperschafts- und Gewerbesteuer zahlen, keine Umsatz- und auch keine Kapitalertragsteuer. Anders als andere Körperschaften öffentlichen Rechts wie Universitäten unterliegen ihre Finanzen zudem keiner staatlichen Kontrolle.

Der Unionsfraktion war dieser Umstand am Dienstag eine Pressemitteilung wert. Die Kirchen, heißt es darin, dürften auch „im Umgang mit ihrem eigenen Geld die normalen Standards nicht außer Acht lassen, die überall in der Gesellschaft gelten“. Zur sprichwörtlichen armen Kirchenmaus wird es dennoch nicht kommen. Trotz der Vorfälle in Limburg, so heißt es weiter, „sollte man buchstäblich die Kirche im Dorf lassen und nicht gleich sämtliche staatlichen Mittel für die Kirchen in Frage stellen“.