Europäische Union

Ein Reförmchen ficht die Beamten nicht an

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Drei Prozent des 140-Milliarden-Euro-Budgets der EU fließen in Gehälter und Pensionen. Einige Mitgliedstaaten wollten die Privilegien der 45.000 EU-Beamten stark beschneiden. Passiert ist wenig.

Im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der EU fällt kaum ins Gewicht, was die Gemeinschaft ihren 45.000 Mitarbeitern an Gehalt überweist. 3 Prozent des 140-Milliarden-Euro-Budgets fließen in Gehälter und Pensionen. Lange Zeit war die Frage der Entlohnung der Beamten in Brüssel, Luxemburg und Straßburg deshalb auch kein großes Thema – bis zum Ausbruch der Finanzkrise.

Seit die Europäische Kommission den Staaten Sparauflagen macht, dringen diese darauf, dass auch die EU-Institutionen einen Sparbeitrag leisten. Der britische Premierminister David Cameron machte sogar seine Zustimmung zum Finanzrahmen 2014 bis 2020 davon abhängig, dass die Gehälter der seiner Ansicht nach überbezahlten EU-Beamten begrenzt werden.

Am Ende war die Frage derart politisch aufgeladen, dass in der letzten Verhandlungsrunde zu der künftigen Entlohnung der Beamten jedes Exemplar der Kompromissvorschläge mit einem eigenen Wasserzeichen versehen wurde, um höchste Geheimhaltung zu garantieren. So geht die EU nur bei sehr wichtigen Dossiers vor.

Eine weitaus leichtere Reform wurde beschlossen

Die Einigung verkündeten Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Parlamentspräsident Martin Schulz persönlich. Kurz vor Beginn der Sommerpause hat das Parlament nun eine Reform des Beamtenstatuts beschlossen. Die von vielen Staaten, allen voran Deutschland, geforderten weitgehenden Einschnitte jedoch haben EU-Parlament und Kommission abgewehrt.

Die EU-Beamten müssen künftig länger arbeiten, 40 Stunden statt 37,5 in der Woche und neu angestellte bis zum 66. statt bis zum 63. Lebensjahr. Urlaubstage und Gehalt werden leicht gekürzt, und der Aufstieg in hohe Gehaltsstufen wird begrenzt. Zwei Jahre gibt es eine Nullrunde. Die Zahl der Heimreisetage wird von maximal sechs auf zweieinhalb Tage gekürzt. 2.500 Stellen sollen wegfallen. 2,7 Milliarden Euro will die EU so bis 2020 sparen.

Die Chefunterhändlerin des Parlaments, Dagmar Roth-Behrendt (SPD), hofft, dass damit ein Schlussstrich gezogen ist. Irrwitzig seien die Forderungen gewesen, die Briten, Deutsche oder Österreicher gestellt hätten. Roth-Behrendt wirft den Staaten Populismus vor. Sie hätten sich auf Kosten der vermeintlich weltfremden, jedoch fürstlich bezahlten Beamten profilieren wollen. Die Kommission und die EU-Beamtengewerkschaften sehen das ähnlich.

EU-Beamte verdienen etwa so viel wie Diplomaten

Dass sie mit dem Beharren auf die satten jährlichen Lohnaufschläge die Vorlage für solchen vermeintlichen Populismus geliefert haben, kommt ihnen nicht in den Sinn. Sie argumentieren, dass die Beamten keineswegs zu gut bezahlt sind. Um Spitzenkräfte anzulocken, müssten Spitzengehälter gezahlt werden. Für Mitarbeiter aus Großbritannien und Deutschland reichten die Gehälter schon heute nicht mehr aus. Aus diesen Ländern bewürben sich immer weniger – wobei es keinen Beleg dafür gibt, dass das an der Höhe der Gehälter liegt.

Tatsächlich verdienen EU-Beamte etwa so viel wie Diplomaten – allerdings ohne wie diese alle drei bis vier Jahre den Standort wechseln zu müssen. In der untersten Gehaltsstufe zahlt die EU zwölf Monatgehälter von 2.654 Euro im Jahr. Allerdings beginnen Akademiker in der Regel in der fünften Gehaltsstufe mit 4.350 Euro. Normalerweise steigen die Beamten alle zwei Jahre in eine höhere Gehaltsstufe auf. Spitzenkräfte verdienen am Ende 18.371 Euro.

Das gilt für die nach der letzten Reform 2004 eingestellten Beamten. Die zuvor eingestellten, spricht: die Mehrheit, erhalten bis zu 30 Prozent mehr. Von ihrem Gehalt müssen die Beamten bis zu 45 Prozent Steuern zahlen. Allerdings gibt es hohe Freibeträge. Auch zahlen sie im Gegensatz zu deutschen Beamten einen Pensionsbeitrag von 12 Prozent des Grundgehalts. Hinzu kommt eine Sonderabgabe von künftig je nach Gehaltsstufe 6 bis 7 Prozent (bisher 5,5 Prozent) des Grundgehalts.

Auf Augenhöhe mit Bundeskanzlern

Auf der anderen Seite erhalten alle vor Amtsbeginn nicht in Belgien wohnenden Beamten – sprich: die meisten – eine steuerfreie Zulage von 16 Prozent. Hinzu kommen Kindergeld und andere Zulagen, die sich schnell auf mehrere hundert Euro belaufen. So erhält ein Beamter in den oberen vier Gehaltsstufen momentan netto zwischen 12.500 Euro und 16.500 Euro, unter der Voraussetzung, dass er zwei Kinder hat und nicht im Heimatland arbeitet.

Damit bewegt er sich auf Augenhöhe mit Bundeskanzlern (ohne Berücksichtigung der Abgeordnetendiäten), was Anfang des Jahres für Aufregung sorgte. EU-Beamte können ihre Kinder kostenlos zur Europaschule schicken, die ansonsten bis zu 10.000 Euro im Jahr kostet, und im ersten Jahr mehrwertsteuerfrei einkaufen.

Der Großteil dieser Privilegien bleibt von der nun beschlossenen Reform unangetastet. Dabei wollte die Bundesregierung und mit ihr die Regierungen mehrerer EU-Staaten ursprünglich viel weiter gehen. Die 16-Prozent-Auslandszulage etwa sollte nur noch in den ersten Jahren der Tätigkeit der Beamten bezahlt werden. Die Pensionsbeiträge sollten stark steigen, der alljährliche Gehaltsanstieg sollte gedeckelt werden.

Insofern ist nicht erstaunlich, dass die Gewerkschaften die Einigung akzeptiert haben. Zwar streikten die Beamten kurz vor der Verabschiedung im EU-Parlament noch einmal – zum zehnten Mal. Es hätte aber schlimmer kommen können, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft „Union Syndicale“, Günter Lorenz. Die Gewerkschaften seien grundsätzlich bereit, den jetzt beschlossenen Sparbeitrag zu leisten. Da die Einschnitte mit der aktuellen Krise begründet würden, müssten sie später aber überprüft werden.

Zudem klagt Lorenz über die soziale Schieflage der Reform. In der Tat müssen Sekretärinnen mit ihr zusätzliche deutliche Gehaltseinschnitte hinnehmen. Ebenso bleibt es dabei, dass die 10.000 Angestellten mit Zeitverträgen der EU, verglichen mit den 45.000 EU-Beamten und Pensionären, spürbar schlechter gestellt sind. Um das zu ändern, seien die Gewerkschaften durchaus zu Einschnitten in den höheren Gehaltsgruppen bereit gewesen, sagt Lorenz.

Vom Tisch ist mit der Reform immerhin ein Dauerstreitthema: die Formel zur alljährlichen Anpassung der Gehälter. Die soll zwar weiterhin faktisch automatisch erfolgen, auf Basis der Entwicklung der Beamtengehälter in mehreren EU-Staaten. Allerdings soll eine Krisenklausel nun erlauben, die Gehaltsanpassung zu reduzieren oder auch auszusetzen, falls die Wirtschaft schrumpft. Zwar enthielt auch das bisherige Beamtenstatut eine solche Klausel. Diese hat sich aber als kaum anwendbar herausgestellt. Und so kassierten die EU-Beamten zum Höhepunkt der Finanzkrise eine Gehaltserhöhung von 3,7 Prozent.