
Taugen Computerprogramme dazu, Abschreiber zu enttarnen? Informatikprofessor Rüdiger Grimm befasst sich in Darmstadt und Koblenz mit dieser Frage.
Angenommen, ich wollte einem Politiker nachweisen, dass er in seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat. Wo bekomme ich ein Computerprogramm dafür her?
Wenn Sie meinen, dass eine Software das geeignete Mittel dafür sei, dann stehen Ihnen ungefähr zehn verschiedene Angebote zur Verfügung. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Zugänge. Sie können auf bestimmte Websites gehen und dort über Formulare verdächtige Texte eingeben. Dann bekommen sie nach wenigen Minuten, nach Stunden oder einigen Tagen eine Antwort. Die andere Möglichkeit ist, sich solche Software herunterzuladen und sie auf dem eigenen Rechner laufen zu lassen.
Kostet das etwas?
Nicht alle diese Programme sind frei verfügbar, aber einmalige Selbstversuche sind immer unentgeltlich möglich. Wenn eine Universität solche Software anschaffen will, muss sie einige tausend Euro im Jahr dafür zahlen.
Wie funktionieren diese Programme?
Sie arbeiten wie Internetsuchmaschinen und nutzen diese zum Teil auch. Zusätzlich verfügen sie über eigene Datensammlungen. Man gibt Textstellen ein und bekommt angezeigt, wo sich im Netz der gleiche Wortlaut findet.
Da kann ich die suspekten Passagen doch gleich direkt bei Google eingeben.
Selbstverständlich. So wird es in der Praxis auch meistens gemacht. Eine andere Möglichkeit ist es, in Arbeiten Stilbrüche aufzuspüren – zum Beispiel, wenn aus schlechtem Englisch plötzlich Super-Englisch wird. Das können Anti-Plagiats-Programme auch.
Wie erkennt ein Computer Stilbrüche?
Was ganz gut funktioniert, ist der statistische Ansatz. Dabei wird festgestellt, wie bestimmte Wörter und Buchstabenkombinationen in einem Text verteilt sind. Man sagt, eine halbe Seite reicht aus, um einen Autor zu identifizieren, selbst wenn er versucht, sich zu verstellen. Wenn die Wortverteilung sich plötzlich ändert, erkennt die Software das. Einige kommerzielle Programme arbeiten schon nach dieser Methode.
Die verdächtige Stelle könnte auch ein korrektes Zitat mit Quellenangabe sein. Das erkennt doch kein Programm.
Stimmt. Die Programme sind nicht zuverlässig in der Lage, richtig Zitiertes von Abgeschriebenem zu unterscheiden. Sie suchen nur nach Übereinstimmungen und geben dann eine Prozentzahl an.
Das heißt, man kann aufgrund einer Computeranalyse niemals ein Urteil darüber fällen, ob ein Text ein Plagiat ist.
Richtig. Es muss immer händisch von erfahrener Seite geprüft werden, ob ein Plagiat vorliegt. Wenn etwas ohne Quellenangabe zitiert wird, kann es sich ja um allgemeines Wissen handeln. Wenn jemand schreibt: „Kraft gleich Masse mal Beschleunigung“, ist das selbstverständlich ein Zitat. Aber niemand würde hier Newton als Quelle nennen.
Hat es dann überhaupt Sinn, Anti-Plagiats-Software einzusetzen?
Am Fachbereich Informatik der Uni Koblenz-Landau, an dem ich Dekan bin, haben wir mehrere Programme untersucht und vorerst entschieden, sie nicht einzusetzen. Wir legen stattdessen Wert auf Aufklärung und gute Betreuung. Wenn es bei Arbeiten Auffälligkeiten gibt, wird das von Hand untersucht.
Was halten Sie von Plagiatsjägern wie Uwe Kamenz, der SPD-Fraktionschef Steinmeier verdächtigt, in seiner Dissertation abgekupfert zu haben?
Ich bin da sehr skeptisch. Man kann den Plagiatsfahndern zugutehalten, dass sie die Öffentlichkeit aufgeweckt haben. Aber das Ganze hat doch oft etwas von einer Hexenjagd an sich. Man scheint Vergnügen daran zu haben, jemanden fertigzumachen. Viel wichtiger sind zuverlässige Prüfverfahren und Selbstkontrolle, wie sie etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit ihren Empfehlungen vorantreibt.
Die Fragen stellte Sascha Zoske.
