
Lebertransplantationen zeigen gute Langzeitergebnisse. Dennoch deuten neue Zahlen auf einige Risikofaktoren hin.
Was angesichts des „Transplantationsskandals“ vielfach in Vergessenheit gerät: An erfahrenen Zentren vorgenommen, erzielen Lebertransplantationen exzellente Langzeitergebnisse. Das belegen die soeben veröffentlichten Erkenntnisse von Transplantationschirurgen um Peter Neuhaus und Wenzel Schöning von der Charité in Berlin. Wie sie zugleich verdeutlichen, gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die den längerfristigen Behandlungserfolg zum Teil nachhaltig schmälern. Am meisten ins Gewicht fallen demnach Leberzellkrebs als Behandlungsgrund, ferner eine schlechte Nierenfunktion und ein höheres Alter.
Was schon früher häufiger beobachtet wurde, geht nun auch aus einer zwei Jahrzehnte umspannenden Studie hervor. Eingegangen sind darin die Gesundheitsdaten von 311 Erwachsenen und zwei Jugendlichen, die zwischen 1988 und 1992 an der Charité eine neue Leber erhalten hatten und anschließend regelmäßig zur Nachsorge gekommen waren. Das Alter der Betroffenen betrug im Mittel 45 Jahre, reichte allerdings von vierzehn bis 66. Zu den häufigsten Ursachen für den Organersatz zählten eine Infektion mit Hepatitis C oder B, exzessiver Alkoholkonsum, eine Leberzirrhose unklarer Ursache, Leberkrebs und Autoimmunerkrankungen.
Infektionen mit schweren Folgen
Wie die Studienautoren im „American Journal of Transplantation“ (Bd. 13, S. 2384) ausführen, lebten ein Jahr nach dem Eingriff noch 88 Prozent der Patienten, zehn Jahre danach noch 73 Prozent und zwanzig Jahre später noch 53 Prozent. Einige Patienten profitierten allerdings deutlich mehr als andere. So belief sich der Anteil an langfristig Überlebenden bei den unter dreißigjährigen Personen auf 76 Prozent, bei den über 55-jährigen Frauen und Männern hingegen nur auf 36 Prozent. Nierengesunde wiesen zudem eine deutlich bessere Lebenserwartung auf als Nierenkranke und Frauen eine bessere als Männer. Besonders schlecht schnitten in dieser Hinsicht Patienten mit Leberkrebs ab. Denn nur 25 Prozent der Betroffenen erreichten die Zwanzig-Jahres-Marke. Und bei den insgesamt 45 Personen, die aufgrund eines Transplantatversagens eine weitere Spenderleber benötigten, waren es vierzig Prozent.
Was die Todesursachen betrifft, beruhte das Gros der Sterbefälle auf schweren Infektionen, einem erstmals oder wiederholt ausbrechendem Krebsleiden oder arteriosklerotisch bedingten Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Schlaganfällen und Herzinfarkten. Die tödlichen Komplikationen waren dabei meist die Folge von Erkrankungen, die in geringerem oder höherem Ausmaß mit der immunsuppressiven Therapie in Zusammenhang standen. Aber auch vermeidbare Einflussfaktoren leisteten hierzu teilweise einen wichtigen Beitrag. Dazu zählten einerseits ein ungesunder Lebensstil, etwa Rauchen, verbunden mit exzessivem Alkoholkonsum, andererseits aber auch eine unzureichende Behandlung von infarktfördernden Risikofaktoren: So wiesen 85 Prozent der Patienten zu hohe Blutdruckwerte auf, bei knapp der Hälfte lag der Blutfettgehalt deutlich oberhalb der Norm, und 45 Prozent brachten zu viele Pfunde auf die Waage.
Wichtige Säulen für den Transplantationserfolg
Die guten Langzeitergebnisse der Berliner Transplantationschirurgen können sich – auch im internationalen Vergleich – sehen lassen. Im europäischen Mittel beträgt der Anteil an Patienten, die zwanzig Jahre nach einer Lebertransplantation noch am Leben sind, nämlich 43 Prozent, ist also deutlich niedriger. Dieser Durchschnittswert, der auf den Daten des 1968 etablierten Europäischen Lebertransplantationsregisters basiert, sagt zwar wenig aus über die von den einzelnen Kliniken erbrachten Leistungen. Dass diese teilweise zu wünschen übrig lassen, ist aber kein Geheimnis.
Ob und wie gut Lebertransplantationen gelingen, liegt freilich nicht allein an den Fertigkeiten des Operationsteams. „Eine wichtige Rolle spielen daneben der Zustand des Transplantats und die gesundheitliche Verfassung des Patienten“, sagt Neuhaus. Hier habe sich in den letzten Jahren aber viel geändert. So stammten die Lebern zunehmend von Spendern höheren Alters und von Personen, die längere Zeit intensivmedizinisch versorgt wurden. Und auch die Organempfänger seien heute meist älter und kränker. „Anders als in der Vergangenheit erhalten mittlerweile auch 65-Jährige, mitunter sogar Siebzigjährige eine neue Leber.“
Zu viele Zentren bergen Nachteile
Ältere Patienten hätten aber häufig Begleiterkrankungen, die sich ungünstig auf die Lebenserwartung auswirkten. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Vergabepraxis nach dem Meld-Score, bei dem die Dringlichkeit mehr Bedeutung erhält als die Erfolgsaussichten. Neuhaus, der die Transplantationsforschung seit vier Jahrzehnten begleitet und geprägt hat, hält es daher für fraglich, ob Lebertransplantationen in Zukunft noch genauso gute Ergebnisse erzielen wie bisher. Umso wichtiger erscheint es daher, diese anspruchsvolle Therapie den Besten zu überlassen. Denn nicht nur der Eingriff selbst, auch die immunsuppressive Behandlung erfordert erhebliches fachliches Know-how, das längst nicht alle hiesigen Transplantationskliniken in hinreichendem Maße bereitzustellen vermögen.
Die gesamte Versorgung an einigen wenigen, entsprechend ausgerüsteten Kompetenzzentren zu konzentrieren ist aus therapeutischer Sicht aber sehr viel sinnvoller, als die Nachbehandlung auszulagern, was derzeit oft geschieht. Ein zu dichtes Netz an Transplantationszentren schafft darüber hinaus falsche Anreize: Um den Anforderungen der chirurgischen Fachgesellschaft zu genügen, müssen die Zentren mindestens zwanzig einschlägige Operationen im Jahr vornehmen. Je mehr Gerangel aber um die wenigen Spenderorgane besteht, desto größer ist die Versuchung, mit Tricksereien den eigenen Patienten einen Vorteil zu verschaffen – eine Schwäche des Systems, die der Transplantationsskandal im vergangenen Jahr zutage gefördert hat.
Und noch aus einem weiteren Grund sind zu viele Wettbewerber in der Transplantationsmedizin von Nachteil, ja buchstäblich ungesund. So konnten amerikanische Forscher nach Auswertung der Ergebnisse von rund 38 000 Lebertransplantationen zeigen, dass die Qualität der Behandlung mit der Zahl der konkurrierenden Zentren sinkt („Liver Transplantation“, doi: 10.1002/ lt.23561). Angesichts solcher Erkenntnisse stellt sich die Frage, wie lange man sich hierzulande noch so viele Transplantationszentren leisten kann und will.
