
Das geplante „No-Spy-Abkommen“ soll die Dienste zur Einhaltung des Rechts verpflichten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber Spionage ist völkerrechtlich nicht verboten.
Es scheint ein ungewöhnliches Abkommen zu werden, das die Vereinigten Staaten mit Deutschland abschießen wollen. Wenn etwa in dem geplanten „No-Spy-Abkommen“ die Geheimdienste auf die gegenseitige Einhaltung des nationalen Rechts in seinem jeweiligen Geltungsbereich verpflichtet werden, so sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Aber offenbar ist diese Bekräftigung notwendig. Wenn mit diesem – bisher nur angekündigten – Vertrag verboten wird, dass Nachrichtendienste Regierungsstellen, Botschaften und Behörden des anderen Staates ausspähen, wenn die Sammlung von Daten untersagt werden soll, die sich gegen die Interessen des anderen Landes richtet, dann wäre das alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das gilt ebenso für den beabsichtigten Verzicht auf Wirtschaftsspionage sowie auf das Ausforschen geistigen Eigentums.
Denn Spionage ist völkerrechtlich nicht verboten. Nicht ohne Grund hat ja fast jeder Staat einen Geheimdienst – und das Auskundschaften fremder Länder wird seit langem praktiziert. Das Völkerrecht verbietet Spionage also nicht. Für den Kriegsfall ist geregelt, so etwa auch im neuen Handbuch der Bundeswehr über humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, dass Spione keinen Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene haben. Sie können also – in einem ordentlichen Gerichtsverfahren – bestraft werden. Die Spionage als solche ist im Krieg nicht verboten, gilt aber wegen der für die Spione damit verbundenen Gefahren als „riskante Handlung“.
Spione genießen keine Immunität
Das ist auch, wie die Späh-Affäre zeigt, eine gute Umschreibung für das Friedensvölkerrecht. Hier fehlt es an generellen Regelungen, erst recht an einem Verbot der Spionage. Freilich ist es allen Staaten untersagt, sich die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, etwa ihre Agenten Waffenhandel betreiben zu lassen oder sich an Putschversuchen zu beteiligen. Für Diplomaten etwa gilt ausdrücklich, dass sie sich „mit allen rechtmäßigen Mitteln“ über die Verhältnisse in dem Land, in das sie entsandt wurden, informieren dürfen.
Wer darüber hinaus geht und diplomatischen Status besitzt, kann in der Regel nicht belangt, aber zur „persona non grata“ erklärt und des Landes verwiesen werden. Spione genießen ansonsten generell keine Immunität – selbst im Kalten Krieg haben sich die gegnerischen Mächte nicht darauf berufen, wenn einer ihrer Agenten in Feindesland festgesetzt wurde. Im übrigen verstößt die Informationsbeschaffung durch Agenten als solche nicht ohne weiteres gegen die Hoheitsrechte des Staates, in dem sie spionieren.
Allerdings ist auch kein Staat dazu verpflichtet ist, Spionagemaßnahmen zu dulden. Er kann etwa Ausspäh-Aktionen als „unfreundlichen Akt“ qualifizieren und entsprechend reagieren.
Der Heidelberger Völkerrechtler Karl Doehring legte nahe, dass „ein Staat, der nicht Spionage betreibt, unter Umständen die Fürsorgepflicht für seine Staatsbürger, sein Staatsvolk, außer acht lässt und dass ein Staat, der Spionage nicht abwehrt, sich dem gleichen Vorwurf aussetzt.“ Freilich steht es jedem Land frei, sich vertraglich zu binden – und sich so bewusst einiger Handlungsoptionen zu berauben.
Transparenz ist noch nicht gleichbedeutend mit Verzicht
Jetzt wollen Deutschland und die Vereinigten Staaten ihr Verhältnis neu regeln. Es bleibt freilich abzuwarten, wie das angestrebte Abkommen ausgestaltet sein wird. In der Bundesregierung hält man sich bisher mit Äußerungen zu diesem Thema sehr zurück. So verweist das Auswärtige Amt auf das Bundeskanzleramt. Es wird aber hinter vorgehaltener Hand in der Regierung darauf hingewiesen, dass es offenbar bisher kaum einen vergleichbaren Vertrag mit anderen Staaten gebe. Bundeskanzlerin Merkel hat jetzt versichert, das angekündigte „No-Spy“- Abkommen mit den Vereinigten Staaten würde zwar von den Geheimdiensten ausgehandelt, aber dann von der Politik abschließend „bewertet“ und beschlossen. Auch nach diesen Worten bleibt freilich der genaue Charakter und Inhalt der geplanten Vereinbarung offen. Doch eine jedenfalls politische Bindung der Vereinigten Staaten wird die Folge eines solchen Abkommens sein. Die ist offenbar auch beabsichtigt, um der Kritik aus Deutschland den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Dann bleibt freilich die Frage, welche (vertraglichen) Hintertürchen sich die Vereinigten Staaten offen halten werden. Oder soll das angestrebte Abkommen – zumindest im Verhältnis zu Deutschland – eine Kehrtwende darstellen, eine deutliche Einschränkung des eigenen Aktionsradius und weltweiten Interventionsanspruchs? Wichtig wird es in jedem Fall, die gegenseitigen Zusicherungen auch zu überprüfen.
Der amerikanische Präsident Barack Obama sagte, nötig sei ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre. Aufmerksam verfolge er auch, wie diese Themen außerhalb der Vereinigten Staaten gesehen werden: „Amerikanische Führung in der Welt hängt vom Beispiel amerikanischer Demokratie und Offenheit ab.“ Transparenz ist freilich noch nicht gleichbedeutend mit Verzicht – etwa auf Überwachung und Datensammeln.
Eine Aufwertung Deutschlands
Denn dass auch westliche Verbündete untereinander Wirtschaftsspionage betreiben, ist seit langem kein Geheimnis. Sie hat insbesondere seit dem Ende des Kalten Krieges an Bedeutung gewonnen.
Schon bisher gibt es Vereinbarungen zur Zusammenarbeit von Geheimdiensten, die teilweise erst im Zuge der Abhör-Affäre (wieder) das Licht der Welt erblickten. Nur hatten es die Vereinigten Staaten zum Teil gar nicht nötig, sich darauf zu berufen. Wenn sie Daten auf ihrem eigenen Territorium – und nach nationalemRecht auf legale Weise – anzapfen, wie das bisher der Fall war, dann bleibt abzuwarten, ob das durch eine bilaterale Vereinbarung künftig untersagt sein soll. Läuft es den Interessen Deutschlands zuwider, wenn Amerika zur Terror-Bekämpfung Datenströme anzapft? Wie wird der Begriff des Terrors ausgelegt?
Zweifellos aber markiert schon die amerikanische Absicht, eine Vereinbarung über eine Einschränkung der eigenen Ausspäh-Aktivitäten zu schließen, eine Aufwertung Deutschlands – eines Landes, das bisher auf manchen Feldern immer noch gegenüber den einstigen Alliierten formal benachteiligt ist. Umso interessanter wird zu beobachten sein, was die Bundesregierung aus dem amerikanischen Angebot macht.
