
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat bleibt im Amt. Sein Wahlsieg fiel knapper aus als wochenlang vorhergesagt. Der Kandidat der Ultraorthodoxen aber tat sich am Ende schwer.
Nir Barkat hatte nichts unversucht gelassen. Bevor der Jerusalemer Bürgermeister am Dienstag bei den Kommunalwahlen seine Stimme abgab, war er an die Klagemauer gepilgert, um dort mit zwei Rabbinern zu beten. Mit der Hilfe einer eigens entwickelten „App“ verfolgte das Wahlkampfteam des früheren Hightech-Unternehmers dann, wie viele seiner Unterstützer wirklich wählen gingen und wer noch mobilisiert werden musste. Vorbild dafür war eine Facebook-App, die Präsident Barack Obama in seinem Wahlkampf einsetzte.
Trotzdem fiel Barkats Sieg knapper aus, als wochenlang vorhergesagt: Für eine zweite Amtszeit des parteilosen säkularen Geschäftsmanns stimmten nur 51 Prozent der Bürger. Sein Herausforderer Mosche Leon erhielt gut 45 Prozent der Stimmen. Die meisten Wähler blieben zuhause – nur 36 Prozent gaben ihre Stimme ab.
Die arabische Bevölkerung Jerusalems, die rund ein Drittel der Einwohner stellt, boykottiert die Kommunalwahlen ohnehin seit jeher, da sie die israelische Herrschaft über den arabischen Teil der Stadt nicht anerkennt. In anderen Städten des Landes war eine ähnlich niedrige Wahlbeteiligung zu beobachten. „Am Wahltag tauchte Nir Barkat zum ersten Mal bei mir im Laden auf. Fünf Jahre lang hat er sich nicht für Leute wie mich interessiert“, klagt der Inhaber eines Elektrogeschäfts, der nicht zur Wahl ging.
Einflussnahme durch die Hintertür
Aber auch Herausforderer Leon tat sich am Ende schwer, die Wähler von sich zu überzeugen. Der frühere Bürochef von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte bis vor wenigen Monaten in einem Tel Aviver Vorort gelebt. Seine Kandidatur in Jerusalem verdankte er vor allem zwei Politikern, denen es nicht um bezahlbare Wohnungen und eine niedrigere Grundsteuer in der Stadt ging: Der frühere Außenminister Avigdor Lieberman und Arie Deri, der Vorsitzende der Schas-Partei, wollten mit einem Sieg Leons ihren politischen Einfluss ausbauen. Jerusalem musste zum Leidwesen seiner gut 800.000 Bürger immer wieder als Bühne für die nationale Politik herhalten. So begann Ehud Olmert seine politische Karriere im Jerusalemer Rathaus, bevor er in die Regierung wechselte.
Lieberman und Deri waren zuletzt politisch ins Hintertreffen geraten. Netanjahu hält zwar dem Vorsitzenden der Israel Beitenu-Partei weiterhin den Posten des Außenministers frei. Aber zuvor muss Lieberman einen Prozess wegen Amtsmissbrauchs hinter sich bringen. Deris Schas-Partei gehört Netanjahus neuer Regierung gar nicht mehr an. Angeblich sollte Deri für Leon die zahlreichen ultraorthodoxen Wähler mobilisieren. Im Gegenzug wollte Lieberman dann die Schas-Partei in die Regierung zurückbringen, hieß es nach unbestätigten Presseberichten. Deshalb bedeutet der knappe Sieg von Amtsinhaber Barkat nach Meinung der meisten Kommentatoren eine schmerzhafte Niederlage für Deri und besonders für Lieberman, der sich seit Monaten im Wahlkampf engagiert hatte, als gehe es um seinen eigenen Sieg.
Dabei nahm der frühere Außenminister auch einen Dissens mit seinem Koalitionspartner Netanjahu in Kauf. Bei den Parlamentswahlen zu Jahresbeginn waren Liebermans Israel-Beitenu-Partei und Netanjahus Likud noch mit einer gemeinsamen Liste angetreten. Bei den Jerusalemer Kommunalwahlen konnte Lieberman den Likud-Vorsitzenden jedoch nicht dazu bewegen, die Kandidatur seines eigenen früheren Bürochefs zu unterstützen. Diese Zurückhaltung Netanjahus und anderer führender Likud-Politiker wurde in Jerusalem als ein stiller Hinweis darauf gedeutet, dass sie in Wahrheit Barkat den Vorzug gaben.
