Inland

Realität der Organspenden: Heute nur schlechte Lungen im Angebot

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Organtransplantationen ohne Umstände: Ginge es nach Gesundheitsminister Spahn könnte Deutschland es anderen Ländern gleichtun und sich auf eine Widerspruchsregelung festlegen.

Weil in Deutschland so wenige Organe entnommen werden, sollen wir alle als Spender zur Verfügung stehen. Sagt Jens Spahn. Was würde sich dadurch ändern?

Der Transplantationsbeauftragte einer großen deutschen Klinik vergleicht sich mit einem Geier. Eigentlich, sagt der erfahrene Mediziner, müsste er wie ein Geier über der Intensivstation kreisen und nach Organen Ausschau halten. Das sei nun einmal der Job des Transplantationsbeauftragten: Jeder Arzt ist der Anwalt seiner Patienten. Und die Patienten des Transplantationsbeauftragten sind nicht die, die auf der Intensivstation seines Krankenhauses sterben. Sondern jene, die sterben werden, wenn sie nicht bald ein Organ bekommen. Das ist eine unangenehme Vorstellung für viele Menschen, die gerade nicht auf eine Niere, eine Leber, ein Herz oder eine Lunge warten. Sie möchten beim Sterben, wenn überhaupt, nur Ärzte um sich haben, die ihre eigenen Anwälte sind. Keine Geier. Sondern lieber Engel in Weiß.

Das wollen Politiker und Ärzte ihnen austreiben, damit Organspende etwas Normales, Positives wird. Der Grund ist, dass es in Deutschland immer weniger Organspenden gibt. Im vergangenen Jahr wurden nur knapp achthundert Spendern insgesamt knapp 2600 Organe entnommen. Aber auf den Wartelisten stehen zehntausend Kranke, manche seit vielen Jahren. Also hat Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU vorgeschlagen, dass jeder Deutsche grundsätzlich Spender sein soll, falls das bei seinem Tod medizinisch in Frage kommt. Wer nicht will, dass der Staat auf seinen Körper zugreift, soll nach Meinung des Ministers ausdrücklich nein sagen. Spahn hat hier einen alten Vorschlag aufgegriffen: die sogenannte Widerspruchslösung. In den siebziger Jahren scheiterte ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums im Bundesrat. Auch als das Transplantationsgesetz 2012 neu geregelt wurde, setzten sich mehrere Länder und Abgeordnete dafür ein.