Eurokrise

„Griechenland kann noch mehr sparen“

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Griechenlands Ministerpräsident Tsipras: Kämpft vor allem für sein Wählerklientel

Alexis Tsipras will seiner Klientel keine weiteren Kürzungen zumuten. Kritiker aus Griechenland sehen allerdings noch Sparpotential im eigenen Land. Wichtiger für die Zukunft des Landes dürfte indes etwas anderes sein.

Griechenlands Forderungen an die Gläubiger sind nicht so alternativlos, wie Ministerpräsident Alexis Tsipras immer wieder behauptet. Der griechische Regierungschef verspricht, es werde keine weiteren finanziellen Opfer mehr für die Griechen geben, er will freie Hand für die Haushaltspolitik nach dem Ablauf des jüngsten Rettungsprogramms 2018, und er verlangt einen Schuldenschnitt. Für viele Griechen klingt es sympathisch, wenn Tsipras weitere Steuererhöhungen und neue Rentenkürzungen ablehnt. Doch dazu gibt es auch ganz andere Perspektiven.

Der ehemalige konservative Vizefinanzminister Petros Doukas stellt sich dem Eindruck entgegen, dass die Staatsausgaben nicht mehr gekürzt werden könnten: „Es gibt noch die Möglichkeit von Einsparungen, beim öffentlichen Dienst im weiteren Sinne, und bei Staatsunternehmen“, sagt Doukas. Er sieht auch Verschwendung im zweifach geretteten Bankensektor: „Die Aufsicht über die Banken ist schwach und hat deshalb die Griechen Milliarden gekostet.“ George Politis, Geschäftsführer des Athener Finanzhauses Capital Securities, urteilt: „Die öffentlichen Ausgaben sind immer noch überproportional hoch, mit Mängeln bei Legalität, ökonomischem Sinn, Gleichheit und Produktivität.“

Während Tsipras zur Abschreckung das Gespenst neuer Steuererhöhungen und Rentenkürzungen für die bisher schwer geschröpfte gehobene Mittelklasse heraufbeschwört, schützt er weiterhin seine eigene Wählerklientel. Mit einem Einkommensteuerfreibetrag von 8636 Euro, ähnlich hoch wie in Deutschland, muss die Hälfte der Griechen keine Steuern zahlen. Wer niedrige Einkommen bezieht, darf in Relation zu den Beiträgen weiter auf üppige Renten hoffen. Geschützt sind auch überhöhte Einkommen und die personelle Überbesetzung in Bastionen von Tsipras’ Linkspartei Syriza etwa im staatlichen Strommonopol, das bisher von der Regierung Tsipras in vielen kleinen Gefechten mit den Gläubigern vor Liberalisierung und Aufteilung geschützt wurde.

Schuldenschnitt könnte Gläubiger verjagen

Der Ruf von Tsipras nach einem Schuldenschnitt wird von Politis als Schauveranstaltung interpretiert. Andere Kritiker bemängeln, dass die zweite Reihe der Regierungspartei keinerlei Verständnis dafür zeigt, dass der geforderte Schuldenschnitt zwar der Popularität der Linksregierung in Athen helfen kann, aber bei den Geberländern nicht gut ankommt. Nach Meinung von Politis birgt dies die Gefahr, dass die Gläubiger „den Stecker ziehen“. Wenige sind davon überzeugt, dass die Regierung Tsipras daran denkt, etwas von den Schulden zurückzuzahlen.

Einer der wichtigsten Ökonomen Athens sieht dagegen die Frage nach einer Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden in einem ganz anderen Licht: Die gegenwärtige Struktur der Verbindlichkeiten, mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 16,6 Jahren und Durchschnittszins von 1,8 Prozent, habe für die Zukunft noch eine Reihe von Klippen und Unwägbarkeiten gelassen. Die gelte es bei einer Umstrukturierung der Schulden mit einem Tausch („Swap“) von Schuldtiteln zu beseitigen, und das sei derzeit noch weitaus billiger als womöglich in einigen Monaten mit anderen Szenarien auf dem Anleihemarkt.

Infografik / Welche EU-Länder bemühen sich um eine Sanierung des Haushalts?

Die Forderung des Internationalen Währungsfonds und der europäischen Gläubiger, für die Zukunft einen Primärüberschuss (ohne Berücksichtigung von Zinskosten) von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) festzuschreiben, hält der namentlich nicht zitierbare Athener Ökonom für unrealistisch. Von der Regierung über die Opposition bis zur Zentralbank gibt es den Wunsch, das Haushaltsziel für Griechenland auf 2 oder 2,5 Prozent des BIP abzusenken. Damit könnte Griechenland aber seine Schulden nie abbezahlen. Zugleich wird in Athen nicht gesehen, wie andere Länder, etwa Belgien, mit weit höheren Primärüberschüssen ihre Schulden verringert haben.

Alle Kritiker der Regierung Tsipras teilen den Gedanken, dass es im Grunde weniger darauf ankommt, um Sparauflagen zu feilschen, sondern vor allem darum, den Griechen und ihrer Wirtschaft stabile Perspektiven zu vermitteln. Wenn statt neuer Unsicherheiten langfristige Klarheit über Griechenlands Haushaltspolitik geboten werde, stelle allein dieser Umstand schon einen Wachstumsmotor dar.