Essen & Trinken

Vegetarisch leben: Fleischlos essen an Weihnachten? Nee, oder?

• Bookmarks: 3


Ein Fest ohne Gänsebraten, Karpfen und Würstchen ist für viele nur schwerlich vorstellbar. Eine Familie hat vegetarische Weihnachten im letzten Jahr mal probiert, und wir wollten wissen, wie das war.

Die Gromodkas sind eigentlich eine ganz normale Familie. Jule, 14, geht zur Schule und findet das meiste Gemüse überflüssig. Ihr Bruder Janek, 17, will Erzieher werden und isst gerne Currywurst, Burger und Döner. Vater Boris, 48, arbeitet in der IT-Branche und kocht mit Hingabe, während Mutter Heike, 51, die für den Rundfunk arbeitet, in einer Familie von Fleischern aufgewachsen ist und Leberwurst liebt. Das nicht ganz so Normale an ihnen: Die Gromodkas sind für ein halbes Jahr zur Veggie Family mutiert. Es sollte ein Experiment sein: Von Oktober 2013 bis März 2014 würden sie alle vier vegetarisch leben. Und zwar komplett: Keine toten Tiere irgendeiner Art mehr auf dem Teller.

„Am Anfang war das gar kein Problem“, erzählt Heike im Rückblick, während sie am grauen ersten Adventssonntag in der Küche Hefestollen in den Backofen schiebt und gleichzeitig das Abendessen vorbereitet. „Es war ja beinahe noch Sommer, und viel Salat und Gemüse schien einfach normal, selbst wenn die Kinder das nicht so toll fanden.“ Doch dann wurde es kühler und dunkler draußen. „Ziemlich schnell merkten wir, dass wir mehr als nur Blätter brauchten, um uns nach dem Essen warm und satt zu fühlen.“

Was also tun? Die Gromodkas entdecken Linsen und Risotto für sich, merken, dass Gemüse durchaus zu schweren, winterlichen Gerichten taugt und sich braune Sauce zum Kartoffelbrei auch ohne Fleisch kochen lässt. Währenddessen besucht die Hamburger Autorin Sabine Eichhorst die Familie einmal monatlich, interviewt jeden einzeln und fasst die Berichte zusammen, damit später ein Buch draus wird.

Widrigkeiten des Vegetarier-Daseins

Zu Hause kommen alle gut zurecht mit dem Vegetarier-Dasein. Janek hat zwar aufgrund einer Wette mit seiner Freundin gerade drei fleischlose Jahre hinter sich und ist eigentlich wieder aufs Karnivorentum fokussiert, aber auch er macht gute Miene zum Gemüsespiel. Viel schwieriger ist der tägliche Alltag, umgeben von Kollegen und Freunden. Janek nervt es bald, an der Currybude nur Pommes zu bestellen, während seine Kumpel sich an Wurst gütlich tun. Jule stellt fest, dass die vegetarische Option in der Schulkantine häufig ausverkauft ist. Heike empfindet den ständigen Erklärungszwang gegenüber Freunden, Kollegen und Restaurantangestellten als distanzierend und anstrengend. Boris hat am meisten Übung, weil er bereits seit einiger Zeit vegetarisch lebt, aber auch er muss zugeben, dass die fleischlosen Imbiss-Optionen einerseits selten und eintönig und andererseits grundsätzlich teurer sind.

Und selbst er erlaubt sich, wie auch Heike, Janek und Jule, Ausnahmen. Da ist die duftende Rinderbrühe, die Heike bei einem Büffet bei einer Hochzeitsfeier in Versuchung bringt, die Rippchen in der Bierkneipe, denen Boris bei einem Männerabend unter Kollegen verfällt, die Ahle Wurscht, die Janek bei einem nordhessischen Fleischer verführt, und das Hackfleisch, das Jule in vorgeblich vegetarischen Nudeln entdeckt (und sie trotzdem weiter isst). Es ist eben ein Experiment – und das kann auch mal schiefgehen.

Mit der Zeit pendelt sich alles ein bisschen besser ein. Während sich Heike anfangs als Nörglerin fühlt, auf die alle Rücksicht nehmen müssen, wird das Fleischweglassen zunehmend als selbstverständlich akzeptiert und steht nicht mehr im Mittelpunkt der Gespräche. „Die Ahnung eines vegetarischen Lebens, das ohne ständiges Nachfragen, ohne Ausgrenzung, ohne Verzicht auskommt“, so beschreibt sie es.