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Der Schwarze Peter von Tacloban

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Der philippinische Präsident Aquino steht wegen der verzögerten Hilfe für die Taifun-Opfer in der Kritik. Nun versucht er, der Lokalregierung die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Fast drei Tage lang hatte sich der philippinische Präsident Benigno Aquino im Katastrophengebiet aufgehalten, bevor er am Dienstag zurück in die Hauptstadt eilte. Mit einiger Verspätung hatte er persönlich das Kommando über die Hilfsarbeiten nach dem Taifun Haiyan übernommen, um der wachsenden Kritik an der mangelnden Koordinierung der Hilfe zu begegnen.

Um sein angeschlagenes Image aufzupolieren, hatte er in der fast völlig zerstörten Stadt Tacloban Krisensitzungen geleitet, Taifun-Opfer besucht und eigenhändig Hilfsgüter verteilt. Zwischenzeitlich hatte er sogar angekündigt, erst wieder in die Hauptstadt Manila zurückkehren zu wollen, wenn die Millionen Menschen in dem Katastrophengebiet versorgt seien.

Lokale Behörden seien für die Rettungsarbeiten zuständig gewesen

Die Schuld an der hohen Opferzahl und den verspätet angelaufenen Hilfsarbeiten hatte der normalerweise jovial lächelnde Aquino mit ernster Miene den lokalen Behörden zugeschoben. Sie seien für die Rettungsarbeiten während und nach der Katastrophe verantwortlich gewesen, hatte er den philippinischen Medien gesagt. In manchen Gegenden habe es dank der Warnungen der Zentralregierung auch kaum Todesopfer gegeben, in anderen dagegen sehr viele.

Er frage sich, warum das so sei. Der Präsident kündigte an, untersuchen zu lassen, ob es Fehler auf Seiten der lokalen Regierung gegeben habe. Allerdings seien manche Behörden durch den Taifun auch schlicht nicht mehr funktionsfähig gewesen, gestand der Präsident ein. „Unglücklicherweise ist insbesondere in Tacloban der Bürgermeister selbst fast ein Opfer geworden“, sagte Aquino.

Just dieser Bürgermeister ist ein politischer Gegner des Präsidenten. Aquino hatte bei den Lokalwahlen im Mai einen anderen Kandidaten unterstützt. Zudem gehören die beiden Männer rivalisierenden Clans an. Auf den Philippinen wird die Politik von einer kleinen Zahl einflussreicher Familien bestimmt. Der Bürgermeister von Tacloban, Alfred Romualdez, ist ein Neffe der Diktatorenwitwe Imelda Marcos. Aquino ist dagegen der Sprössling der einst wichtigsten politischen Widersacher des Regimes von Ferdinand Marcos.

Sein Vater wurde unter Marcos Opfer eines politischen Attentats, die Mutter erste Präsidentin nach dem Fall des Marcos-Clans. Das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und dem Bürgermeister von Tacloban ist nicht nur wegen dieser Vergangenheit angespannt. Nach dem Taifun herrschte dem Vernehmen nach zwischen Innenminister Mar Roxas, der die Hilfslieferungen für die Zentralregierung koordinierte, und Bürgermeister Romualdez einige Zeit Funkstille.

„Warum also ist alles so kompliziert?“

Der Minister soll das Stadtoberhaupt aufgefordert haben, dem Präsidenten schriftlich mitzuteilen, dass er nicht mehr in der Lage sei, sein Amt auszuüben, damit die Regierung in Manila den Notstand über die Stadt verhängen könne. Dies aber hatte Romualdez verweigert, weil er eigenen Angaben zufolge befürchtet hatte, dass der Brief als Rücktrittsgesuch interpretiert werden könnte.

Alfred Romualdez verteidigte sich am Dienstag gegen die Kritik aus der Zentrale. „Die Lokalregierung beeinträchtigt nicht die Maßnahmen der Zentralregierung. Warum also ist alles so kompliziert? Es gibt so viel Bürokratismus in einer Krise wie dieser“, sagte der Bürgermeister in einem Radiointerview. Der Leiter des nationalen Katastrophenschutzes dagegen forderte alle Beteiligten auf, die „negative Kritik zu beenden“.

Ein Sonderfond verstoße gegen die Verfassung

„Lasst uns nach vorne blicken. Lasst uns zum Wohle der Menschen konstruktiv sein“, sagte Eduardo del Rosario laut einem Bericht der Zeitung „Philippine Daily Inquirer“. Als Zeichen, dass die beiden Seiten sich zumindest um ein vernünftiges Arbeitsverhältnis bemühen, wurden Bilder veröffentlicht, auf denen der Bürgermeister, der Innenminister und der Präsident gemeinsam an einem Tisch zu sehen sind.

Im Katastrophengebiet wurde unterdessen weiter fieberhaft daran gearbeitet, die betroffenen Menschen mit Hilfsgütern zu versorgen. Die Zahl der Toten wurde am Dienstag mit rund 4.000 angegeben.

„Viele Leichen sind noch nicht geborgen“, sagte Alfred Romualdez. Zumindest vorerst müssen die Menschen dort nun wieder ohne ihren Präsidenten auskommen. Am Dienstag erklärte das höchste Gericht in Manila, dass ein Sonderfonds der Regierung, der Parlamentariern die Finanzierung von Entwicklungsprojekten erlaubt, gegen die Verfassung verstoße.

In den vergangenen Monaten waren Tausende Filipinos gegen den Fonds auf die Straße gegangen, weil er zu Amtsmissbrauch geführt haben soll. Durch die Proteste war der Präsident ohnehin schon geschwächt. Nun reiste er Presseberichten zufolge am Dienstag nach Manila, um sich dieser anderen „Krise“ zu widmen.