Klima

Vom Klima zerrüttet

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Ob Vögel, Falter oder Bergflora: Alles wechselt, und zwar immer schneller. Neue Studien zeigen: Der Klimawandel zerlegt buchstäblich viele unserer Lebensräume.

Es geht immer schneller: Der fortschreitende Klimawandel verändert nicht nur die Ökosysteme auf der Nordhalbkugel nachhaltig, er zerlegt sie inzwischen regelrecht. Die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften verändert sich evolutionär gesehen fast schlagartig. Lange schon beobachtet man gravierende Veränderungen in den Polgebieten, wo die Temperatur am schnellsten steigt – über Teilen der Arktis mehr als doppelt so schnell wie im Rest der Nordhemisphäre. Doch immer deutlicher werden auch die Zeichen der Veränderung in den gemäßigteren Regionen. Das zeigen zwei neue kontinentweite Studien in der Zeitschrift &quot-Nature Climate Change&quot-, an denen Dutzende Gruppen aus ganz Europa beteiligt waren.

In einer Untersuchung der hochalpinen Bergflora unter Leitung von Ökologen der Universität Wien hat sich herausgestellt, dass sich die Vegetation jenseits der Baumgrenze zwischen 2001 und 2008 klar verschoben hat: Kälteliebende Pflanzen finden auf den sechzig untersuchten Gipfelreigionen fast ausnahmslos immer weniger Rückzugsgebiete, die Zahl und Ausbreitung der wärmeliebenderen Pflanzen nimmt deutlich zu. &quot-Die Transformation in weniger als einer Dekade bedeutet einen rapiden Ökosystemwandel&quot-, so die Autoren. Insgesamt hatte man 764 Arten in siebzehn Gebirgen berücksichtigt.

Wie schnell sich der ökologische Wandel vollzieht, zeigt auch die Untersuchung eines anderen europäischen Biologenteams, das die Veränderungen in fast neuneinhalbtausend Vogelpopulationen und mehr als zweitausend Schmetterlingsvorkommen über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten erfasst hat. Von deutscher Seite waren Oliver Schweiger und Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle beteiligt. Fazit der Studie: Nicht nur breiten sich die Arten beider Gruppen klar, wenn auch unterschiedlich schnell, nach Norden aus – doch noch schneller als der ökologische Wandel vollzieht sich der Klimawandel selbst. Dieser sorgte dafür, dass sich die idealen Klimazonen, gemessen an den Temperaturoptima der Tiere, in zwei Dekaden um fast 250 Kilometer nordwärts verschoben haben. Die Organismen hingegen reagieren deutlich langsamer: So bewegten sich die Vogelpopulationen um durchschnittlich 37 Kilometer, die der Falter um 114 Kilometer in die kühleren nördlichen Regionen.

Das unterschiedliche Anpassungsvermögen, das schon mit den abweichenden genetischen und ökologischen Reaktionsmöglichkeiten der Arten zu erklären ist, könnte über kurz oder lang die Zusammensetzung vieler Lebensräume massiv verändern. Viele eingespielte Netze wie die Schlüpfzeiten von Vögeln und die Entwicklung von Raupen könnten ökologisch zerrüttet werden.