Gesellschaft

Ein früher Blick auf den Pazifik

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Typisch Konquistador: Vasco Núñez de Balboa war nicht nur ein Haudegen, sondern im Nebenberuf auch noch Entdecker. Bis er schließlich selbst seinen Kopf verlor.

Unter den großen Globalisierern der Weltgeschichte war er nicht der Geringste. Vasco Núñez de Balboa, Herumtreiber, Entdecker und Eroberer, gehört in die Reihe der so berühmten wie berüchtigten spanischen Konquistadoren. Wie Francisco Pizarro und Hernán Cortés stammte er aus einem verarmten Adelsgeschlecht und verließ die heimische Estremadura, um in der Neuen Welt zu Ruhm und Gold zu kommen. Auch wenn es mit dem Reichtum nichts werden sollte, so hatte er doch eine „Sternstunde der Menschheit“ (Stefan Zweig beschreibt sie in seinem Buch im Kapitel „Flucht in die Unsterblichkeit“), als er als erster Europäer den Pazifischen Ozean vom amerikanischen Kontinent aus erblickte.

Die Historiker sind sich noch immer uneins, ob das am 25. oder 27. September 1513 geschah. Am Ort des Geschehens, dem heutigen Panama, wo der Balboa die nationale Währung ist, wird schon seit Mittwoch gefeiert. Sicher überliefert ist, dass die Expedition am 29. September den Strand des nicht gerade friedlichen „Südmeeres“ erreichte, das Ferdinand Magellan später in „Pazifik“ umtaufen sollte.

Matrose, Glückssucher, Schweinezüchter

Doch verweilen wir mit Stefan Zweig in dem Augenblick, den Balboa mit niemandem, außer seinem Hund Leoncico, teilen wollte. Der Gewaltmarsch mit den indianischen Lastträgern über die Landenge von Panama war lebensgefährlich gewesen. Am späten Vormittag näherte sich die Truppe einer Bergkuppe, von der aus man einen „großen See“ erkennen sollte. Balboa befahl seinen Gefolgsleuten haltzumachen und ging mit seinem Jagdhund weiter. „Keiner sollte ihm folgen, denn diesen ersten Blick auf den unbekannten Ozean will er mit keinem teilen“, schreibt Zweig. „Allein und einzig will er für ewige Zeit der erste Spanier, der erste Europäer, der erste Christ gewesen sein und bleiben, der, nachdem er den einen riesigen Ozean unseres Weltalls, den Atlantischen, durchfahren, nun auch den anderen, den noch unbekannten Pazifischen erblickt.“

So mag es wohl gewesen sein, bevor er alles, was er um sich sah, mit gezücktem Schwert und hochgehaltener kastilischer Fahne im Namen der spanischen Krone in Besitz nahm. Ein begleitender Pater stimmte das Te Deum an. Und in ein Kreuz, grob aus einem kurzerhand gefällten Baum gefügt, wurden die Initialen des Königs geschnitten. Dieser, der katholische Ferdinand, hatte zunächst seine helle Freude, als er zusammen mit der Entdeckernachricht erfuhr, dass an der „anderen Küste“ auch Gold und Perlen gefunden worden seien. Er ernannte Balboa zum Generalkapitän. Sein unordentliches Leben sollte jedoch nur noch sechs Jahre dauern, bis er den Kopf verlor.

Balboa, um 1475 in Jerez de los Caballeros in der Nähe von Badajoz geboren, war Matrose, Glückssucher, Schweinezüchter auf der Karibikinsel Hispaniola, Gründer der ersten festen Siedlung in Mittelamerika namens Santa María de la Antigua del Darién und Gouverneur der Region in Panama. Er heiratete die Tochter eines Indianerhäuptlings und ließ sich von einem anderen mit Gold beschenken. Im Umgang mit den „Eingeborenen“ hatte er so wenig Skrupel wie die meisten seiner Landsleute. Er hatte jedoch ein besonderes taktisches Geschick darin, zum eigenen Vorteil immer wieder die Freundschaft der Unterworfenen zu gewinnen. Sie waren es, die ihm schließlich auch den Weg zum „Südmeer“ wiesen.

Wegen Verschwörung enthauptet

Balboa kam ursprünglich auf der Flucht vor seinen Gläubigern in der Karibik als blinder Passagier auf das Festland. Er begegnete Pizarro, dem späteren Eroberer Perus, rivalisierte mit anderen Abgesandten des Königs und fand schließlich seinen Meister in Pedro Arias Dávila, dem Generalstatthalter der Provinzen Panama und Coiba. Dieser Dávila, wegen seines cholerischen Temperaments „Zorn Gottes“ genannt, wurde sogar sein Schwiegervater. Die Braut, die in einem spanischen Kloster eingesperrt war, bekam er aber nie zu Gesicht. Die Fern-Ehe war indes nur eine der Listen, mit denen der eine den anderen in Schach zu halten versuchte.

Als es Dávila nach einer respektlosen Behandlung durch den Jüngeren zu viel wurde, ließ er Balboa wegen Verschwörung festnehmen und im Januar 1519, natürlich ohne ordentliches Gerichtsverfahren, enthaupten. Der Kopf des Mannes, dessen Augen jenes Meer sahen, welches ein Drittel der Erdoberfläche deckt, steckte noch tagelang auf der Spitze einer Lanze. Nun ist nach ihm wenigstens noch ein Krater auf dem Mond benannt.