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Kampf gegen Coronavirus: Kanzleramtschef: Herdenimmunität keine taugliche Strategie

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Er weiß, wie man eine Maske benutzt: Kanzleramtschef Helge Braun in der Universitätsklinik Gießen

Kanzlerin Angela Merkel setzt auf vorsichtige Lockerungen der harten Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus. Nicht jedem gefällt das. Doch der Kanzleramtschef warnt vor hohen Infektionszahlen.

Kanzleramtschef Helge Braun hält die Strategie einer „Herdenimmunität“ für untauglich im Kampf gegen das Coronavirus. „Um nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung in 18 Monaten zu immunisieren, müssten sich jeden Tag 73.000 Menschen mit Corona infizieren“, sagte Braun der Deutschen Presse-Agentur. „So hohe Zahlen würde unser Gesundheitssystem nicht verkraften und könnten auch von den Gesundheitsämtern nicht nachverfolgt werden. Die Epidemie würde uns entgleiten.“

Mit Herdenimmunität meinen Wissenschaftler die Immunität eines so großen Prozentsatzes der Bevölkerung nach einer Infektionswelle, dass die weitere Ausbreitung der Krankheit zum Erliegen kommt. „Eine Epidemie ist erst zu Ende, wenn ein Anteil von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung immun gegen das Virus ist“, sagte Braun, der selbst Arzt ist. „Die Wissenschaftler nennen das etwas schmeichelhaft Herdenimmunität.“ Stattdessen setzt der CDU-Politiker auf den Kurs der Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel: „Daher lautet die Strategie, Ansteckungen zu vermeiden und bezüglich der Immunität auf die Einsatzfähigkeit eines Impfstoffs zu warten.“

Verdoppelungszeit „im Auge behalten“

Merkel hatte in den vergangenen Wochen verschiedene Kennziffern genannt, die als wichtig für den weiteren Verlauf der Pandemie gelten. Auf die Frage, woran zu erkennen sei, dass die Bundesrepublik bei der Bekämpfung des Virus auf einem guten Weg sei und zusätzliche Lockerungen der harten Beschränkungen möglich seien, sagte Braun nun: „Die Zahl der täglichen Neuinfektionen sollte auf einem gleichbleibenden Niveau sein. Das entspricht einem Basisreproduktionszahl R von 1,0 und bedeutet, dass ein Infizierter nur einen weiteren Menschen ansteckt.“

Schon wenn nur jeder zehnte Corona-Patient zwei weitere Menschen infiziere, „steigen die Infektionszahlen in einigen Monaten auf ein bedrohliches Niveau“, warnte Braun. „Das macht deutlich, wie diszipliniert wir in der Öffnungsphase handeln müssen.“ Die zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland von der Kanzlerin genannte Verdopplungszeit der Infektionszahlen sei ein wichtiger Indikator, wenn die Zahlen akut exponentiell steigen würden, wie Mitte März, sagte Braun. „Das ist zurzeit zum Glück nicht mehr der Fall – und doch sollten wir sie im Auge behalten.“