Politik

Europäische Solidarität: Auf dünnem Eis

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Wenig Grund zur Freude: Die Fahnen der EU, Deutschlands und Frankreichs im Berliner Kanzleramt

In den meisten großen Krisen geht es auch um Menschenleben. In Kriegen unmittelbar, in Wirtschafts- und Finanzkrisen häufig mittelbar, weil nicht jeder den Verlust seiner Existenzgrundlage verkraftet. In der Corona-Pandemie ist das Erleben des Todes besonders eindringlich. Menschen sterben nicht auf fernen Schlachtfeldern oder an den Spätfolgen einer Krise, sondern schnell, inmitten ihres Lebensumfeldes, noch dazu dort, wo das Bollwerk gegen den Tod stehen soll: im Krankenhaus.

So ist es seit Wochen in den hochentwickelten Ländern der Europäischen Union zu beobachten. Das macht den Streit darüber, wie dieser Herausforderung finanziell zu begegnen ist, so heikel. Wenn im Norden Italiens oder im Osten Frankreichs Tausende in kürzester Zeit sterben, weil das Gesundheitssystem stellenweise zusammenbricht, darf dann das reiche Deutschland mit seinen bislang noch deutlich weniger Corona-Toten festhalten an seinen finanzpolitischen Grundprinzipien?

Ist es nicht kaltherzig, den sonst gerne als Freunde und Partner bezeichneten Franzosen, Italienern oder Spaniern den Wunsch einer gemeinsamen europäischen Verschuldung mit Hilfe von Euro- oder eben Corona-Bonds auszuschlagen? Oder aber ist es skrupellos von den Regierungen jener Länder, eine Pandemie mit Tausenden Toten auszunutzen, um ihre alten finanzpolitischen Vorstellungen gegen Deutschland, die Niederlande und weitere Eurobonds-Gegner in Stellung zu bringen?