Essen & Trinken

Schloss Hugenpoet: Königin im Krötentümpelreich

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Jakob Strobel y Serra

Schloss Hugenpoet ist eine Institution in Essen, ganzer Stolz und gute Stube der Stadt. Doch der schönste Grund für einen Besuch ist Erika Bergheims Restaurant „Laurushaus“. Die Kolumne Geschmackssache.

Eine Prinzessin muss irgendwann die Kröte in ihrem Tümpel geküsst haben. Wie sonst hätte aus ihr zwar kein Prinz, dafür aber ein prachtvolles Wasserschloss im Stil der Neorenaissance werden können? Seit Jahrhunderten ist Schloss Hugenpoet, dessen Fundamente bis auf Karl den Großen zurückgehen, im Besitz des Hauses Fürstenberg, seit mehr als sechs Jahrzehnten wird es als Luxushotel geführt, seit Generationen hat das pittoresk an den Auen der Ruhr gelegene Anwesen mit dem kuriosen Namen – Hugen bedeutet im lokalen Dialekt Kröte, Poet, Tümpel – seinen festen Platz im gesellschaftlichen Leben von Essen. Und seit mehr als zwanzig Jahren steht dort eine Frau am Herd, die eine Urenkeltochter jener Prinzessin sein muss und sich deswegen zur Küchenkönigin im Krötentümpelreich krönen konnte.

Erika Bergheim wurde diese Krone nicht in die Wiege gelegt, ganz im Gegenteil. Über Ferienjobs in der Gastronomie kam sie zum Kochen, absolvierte eine Lehre in einem Essener Geschäftsreisenhotel, war danach für anderthalb Jahre als Commis auf Schloss Hugenpoet, schlug dann aber einen anderen Weg ein und arbeitete als Geschäftsführerin eines Feinkost-Bistros und Delikatessenhandels. „Doch dieses Leben war mir auf die Dauer nicht frugal genug“, sagt Erika Bergheim, die grundsätzlich in langen Reden den kurzen Sinn sucht.

Sie vermisste die Sinnlichkeit des Kochens

Also machte sie ihren Küchenmeister, kehrte 1997 ins Schloss zurück, wurde 2003 Küchenchefin, erkochte sich 2009 wie aus dem Nichts einen Michelin-Stern und verlor ihn vier Jahre später, weil das Gourmetrestaurant des Schlosses wegen eines Pächterwechsels geschlossen wurde. Und wieder vermisste Erika Bergheim die Sinnlichkeit des Kochens so sehr, dass Baron Fürstenberg, der die Geschicke des Schlosses inzwischen selbst in die Hand genommen hatte, seiner Chefin in der ehemaligen Zehntscheune mit dem „Laurushaus“ ein neues Feinschmeckerrestaurant einrichtete – wofür sich Erika Bergheim postwendend abermals mit einem Michelin-Stern bedankte.

So intim wie in einem privaten Salon sitzt man hier und fühlt sich nicht als Gast, sondern mütterlich umsorgt von einer Köchin, die auf alle Ablenkungen und Angebereien verzichtet, der Chichi und Tellerfirlefanz vollkommen fremd sind und die uns lieber ein gebeiztes Forellenfilet als filigranen Turmbau zu Essen serviert. Der Fisch liegt auf einem kreisrunden Fundament aus winzigen Würfeln von Apfel, Fenchel, Haselnuss und Radieschen, wird von einer Scheibe aus milder Meerrettichcreme bedeckt und ist nur mit ein wenig Forellenkaviar und Forellenmousse dekoriert – ein spektakulärer Teller ganz ohne Spektakel, der virtuos die Balance aus Schärfe und Frische, Milde und Würze hält. Dann kommt ein lauwarmer Kaisergranat auf einem kalten Spargelsalat mit Haselnusssplittern und Kerbel, eingefasst von einem Diadem aus abwechselnd aufgereihten Perlen von Orangen- und Krustentiergel – und wieder ist es ein Gang mit glasklaren Aromen und einem hochkonzentrierten Minimalismus, eine Hommage an die Wesentlichkeit der Aromen ohne einen Hauch von Verzicht oder Selbstbeschränkung.