Inland

Rechtsextreme „Gegnerlisten“: Bundeskriminalamt sieht keine konkrete Gefährdung

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Polizisten stehen vor rechtsextremistischen Demonstranten in der Dortmunder Innenstadt.

Die Ermittler gehen nach einer individuellen Prüfung davon aus, dass die verzeichneten Personen nicht besonders gefährdet seien. Laut Innenministerium seien solche Listen bei „politisch motivierter Kriminalität üblich“.

Die Innenbehörden von Bund und Ländern bemühen sich, Aufregungen und Unsicherheiten zu dämpfen, die entstanden sind durch Meldungen über Namenslisten aus rechtsextremistischen Zirkeln. Die Polizei erhielt vor zwei Jahren erstmals Kenntnis von der Existenz einer solchen Liste, nachdem in der Bundeswehr Ermittlungen gegen den Oberleutnant Franco A. begannen, gegen den wegen Vorbereitungen einer rechtextremistisch motivierten terroristischen Straftat ermittelt wurde. Franco A. hatte sich Waffen und Munition verschafft, eine zweite Existenz als vermeintlicher syrischer Flüchtling begonnen und auf Notizzetteln Listen mit Namen von Politikern und politischen Aktivisten angelegt. Unter anderem waren der damalige Justizminister Heiko Maas, die Grünen-Politikerin Claudia Roth und die Antirassismus-Aktivistin Anetta Kahane auf der Liste notiert.

Ob Franco A. auf den Zetteln tatsächlich Personen notierte, gegen die er eine terroristische Attacke plante, ist offen. Die Bundesanwaltschaft führt zwar noch immer Ermittlungen gegen ihn, das Oberlandesgericht Frankfurt hat jedoch eine Anklage wegen Vorbereitungen terroristischer Straftaten zunächst nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Franco A und andere mutmaßliche Rechtextremisten, mit denen er im Internet in Kontakt stand, stießen Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Jahren auf eine Liste mit rund 25.000 Einträgen. Diese Liste war offenkundig nicht das Ergebnis individueller Namenssammlungen, sondern stammte aus Datensätzen eines Online-Shops.

Listen bei „politisch motivierter Kriminalität üblich“

Das Bundesinnenministerium teilte jetzt, gestützt auf die Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, im Blick auf diese und weitere inzwischen aufgefundenen Listen mit, solche Informationssammlungen über politische Gegner seien „im Bereich der politisch motivierten Kriminalität üblich“. Das Ziel derer, die solche Listen zusammenstellten oder sie gezielt öffentlich machten, sei es „vor allem, Angst zu schüren und Verunsicherung zu verbreiten“. Trotzdem stellt das Ministerium am Ende fest, der „derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion verbreitet Begriff der ‚Feindes- oder gar Todesliste‘ ist konsequent zurückzuweisen“.

Das Bundeskriminalamt stellt in seinem Überblick zwar fest, zunehmend würden „Personen des öffentlichen Lebens, Amtspersonen, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, auch Privatpersonen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus“ auseinandersetzten, Gegenstand solcher Namenserfassungen. Im Ergebnis fänden sich in solchen „Informationssammlungen“ mehr oder weniger zufällige Zusammenstellungen von Namen, Adressen und Telefonnummern solcher Personen und Institiutionen, die den Rechtsextremisten als „politische Gegner“ gälten. Das BKA gibt allerdings ferner an, es gebe auch Listen aus rechtsextremistischen Zirkeln, für die „im Rahmen einer intensiven Befassung gezielt und kontinuierlich Daten zu einzelnen Personen, Institutionen oder Organisationen gesammelt wurden.

An eine daraus resultierende besondere Gefährdung für die Verzeichneten glauben die Ermittler hingegen nicht. Alle bekannten Listen seien „jeweils einer individuellen Gefährdungseinschätzung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses zum Nachteil der darin Aufgelisteten unterzogen worden“ teilt das Bundeskriminalamt mit und stellt fest, es hätten sich „bisher grundsätzlich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung unterliegen“.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte am Freitag vor zu großer Beunruhigung wegen der Meldungen über die Namenslisten. Oft würden die Namen auf solchen Listen voneinander abgeschrieben, sagte Reul. Die dort Verzeichneten sollten nach seiner Einschätzung nur dann informiert werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Bedrohung vorlägen. Die Grünen plädierten hingegen für eine verpflichtende Information aller, die in derartigen Informationssammlungen genannt sind, die FDP verlangte am Freitag die Berufung einer Ombudsperson, welche die Information von Personen „auf rechtsterroristischen Todes- und Feindeslisten“ koordinieren solle.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) teilte hingegen mit Betroffene würden „bei konkreter Gefährdung“ informiert. Namenslisten, die „Angst und Verunsicherung schüren sollen, bedrohen die Freiheit und damit unsere Demokratie“. Seehofer sprach von „perfiden Einschüchterungsversuchen,“ vor denen man nicht zurückweichen dürfe.