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Von der Leyen nach Brüssel: Rückkehr unwahrscheinlich

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Am Dienstag stellt sich Ursula von der Leyen dem Europaparlament zur Wahl.

In Brüssel will Ursula von der Leyen am Dienstag gewählt werden. In Berlin macht man sich Gedanken um die SPD – und um die Nachfolge im Verteidigungsministerium.

Ursula von der Leyen hat am Wochenende vermutlich an der wichtigsten Rede ihrer politischen Laufbahn gearbeitet. Sie will sie in der nächsten Woche vor dem Europäischen Parlament in Brüssel halten. Es gilt, ein mitreißendes Programm für die Europäische Union zu entwerfen, das Zweifler noch überzeugt, Sympathisanten aber nicht verärgert.

Will sie genügend Stimmen zusammenbekommen, muss von der Leyen am Dienstagnachmittag gleichermaßen konservativ und fortschrittlich, ökologisch, sozial und wirtschaftsorientiert auftreten. Ein unmöglicher Anspruch, aber für die Frau, die sich seit fünf Jahren mit aller Kraft, bemüht, das deutsche Verteidigungsministerium ordentlich zu führen, kein Ding der Unmöglichkeit.

Über eine Verschiebung wird nachgedacht

376 Stimmen benötigt sie bei der Wahl am Dienstagabend. Falls die Abstimmung stattfindet. Denn auch über eine Verschiebung wird bereits nachgedacht, falls sich der Eindruck verfestigt, es könne knapp werden. Von der Leyen hat nur einen Versuch. Was folgte, wenn sie scheiterte, wäre: Krisentreffen, Krisengipfel, ein Kampf um die institutionelle Vorherrschaft in der Europäischen Union, neue Kandidatinnen oder Kandidaten.

In der Fraktion der Europäischen Volkspartei hat die deutsche Kandidatin etwa 182 Stimmen relativ sicher, also knapp die Hälfte der notwendigen Stimmen. Der Rest soll von Liberalen, gemäßigten EU-Skeptikern, vielleicht ein paar Grünen und vor allem von Sozialdemokraten im Europäischen Parlament kommen. Die haben 154 Abgeordnete, darunter noch 16 SPD-Politiker aus Deutschland.

Die 16 sind der verbliebene Rest einer einst stolzen sozialdemokratischen Europa-Delegation und haben sich unter der Führung des Abgeordneten Jens Geier zu einer Kampagne gegen den Berliner Koalitionspartner hinreißen lassen. Befeuert wurde sie durch die frühere Kabinettskollegin Katarina Barley, die vor kurzem selbst eine bittere Wahlniederlage als deutsche Spitzenkandidatin erlitten hat und nun in Brüssel wohnt.

Nur wenig Kritik an der Gegen-Kampagne

In Berlin fanden sich vorige Woche nur vereinzelt Sozialdemokraten, die zumindest den Stil der Gegen-Kampagne kritisierten. So sagte Thorsten Schäfer-Gümbel vom Interims-Trio, er und seine beiden Ko-Vorsitzenden würden zwar keine Haltungsnoten verteilen zu dem Konglomerat von Vorwürfen. Aber sie hätten „weder eine Zusammenstellung beauftragt noch würden sie sie jemals beauftragen.“ Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Mäßigung aufgerufen hatte, wäre auch eine entsprechende Äußerung des Vizekanzlers in der Koalition willkommen gewesen. Doch Olaf Scholz (SPD), derzeit im Urlaub, schwieg. Andere, wie etwa Parteivize Ralf Stegner, kommentierten die schwierige Werbetour der Verteidigungsministerin mit Häme. Auffallend anders trat Familienministerin Franziska Giffey auf. Die SPD-Politikerin mit Führungsambitionen wies in der Zeitung „Tagesspiegel“ auf die Chance eine weibliche Kommissionschefin zu bekommen hin, und nannte von der Leyen „eine respektable Persönlichkeit“.

Sollte deren Bewerbung am Dienstag erfolgreich sein, würde die sonstige SPD-Darbietung wohl mit Kopfschütteln abgetan. Wie man so tief sinken könne, hatte sich CDU-Vize Volker Bouffier gefragt. Sollte die Bewerbung von der Leyens scheitern, könnte sich die dauerschlechte Stimmung weiter verschlechtern. Sollte sie knapp und dann sogar wegen der SPD-Ablehnung verlieren, könnten sich für die Union Grundsatzfragen zur Koalition stellen. Dass sie mitten in der Sommerpause und kurz vor den Landtagswahlen in drei östlichen Bundesländern daran zerbricht, glauben wenige.