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Barkeeper Jim Meehan: Kommt nach der Gin-Welle jetzt der Rum-Hype?

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Jim Meehan möchte Rum zu mehr Ansehen unter Sommeliers verhelfen.

Ist Rum in der Cocktail-Welt nach Gin das nächste große Ding? Der Barkeeper, Unternehmer und Buchautor Jim Meehan will Rum aus seinem Schattendasein befreien – und ihn auf eine Stufe mit Whiskey, Gin, Wodka, Tequila und Weinbrand heben.

„Daiquiris gehören zu den schwierigsten Drinks auf der ganzen Welt. Überall versuche ich, Barkeeper zu überzeugen, sie mit ihren Händen zuzubereiten und nicht im Mixer.“ Jim Meehan läuft an einem Freitagnachmittag Ende Juni vor der Bar im „Gekkos“ in Frankfurt auf und ab. Hinter ihm bereiten zwei Barkeeper gerade den Daiquiri vor, der wenig später rund 20 Kollegen serviert wird, die zu Meehans „Bar Takeover“ gekommen sind. Aufmerksam folgen sie seinen Ausführungen. Meehan redet eindringlich und engagiert, immer wieder muss er seine Stimme erheben, um das klackernde Eis in den Cocktail-Shakern der Barmänner zu übertönen. „Besonders schwierig war es vor zehn Jahren. Der Daiquiri war in vielen Bars unüblich.“ Vor allem, weil Rum, die Basis für den Daiquiri, damals einfach als ein billiges Getränk ohne Charakter gegolten habe.

Jim Meehan, Barkeeper, Sommelier, Unternehmer und Buchautor, hat eine Mission: Er will den Rum aus seinem Schattendasein befreien. „Rum wurde von Barkeepern immer als eine Art billige Ware behandelt“, sagt Meehan. „Viele Barkeeper betrachten Rum als Bestandteil von unüberlegten Drinks wie Piña Colada, Strawberry Daiquiri oder anderen, die nicht die gleiche Wertschätzung verdienen wie etwa ein Gin Martini oder ein Sazerac.“

Seit Beginn der Cocktail-Renaissance Ende der achtziger Jahre sind Spirituosen stärker in den Blick von Sommeliers geraten, zuletzt hatte Gin einen steilen Aufstieg erlebt. Ist jetzt Rum das nächste große Ding? Auf solche Vorhersagen lässt sich Meehan nicht ein. Auch auf einen Drink für den Sommer 2019 will sich Meehan nicht festlegen. Sein Lieblingsdrink sei immer der, den er gerade zubereitet habe. „Gute Barkeeper müssen sich auf deine Bedürfnisse, auf den Ort, auf den Moment einlassen. Sie müssen extrem präsent sein.“ Daher will Meehan als Barkeeper auch keine der „base spirits“ – also Wodka, Gin, Rum, Tequila, Whisk(e)y und Weinbrand – hervorheben.

Als Unternehmer hat er sich allerdings auf Rum fokussiert. Wegen seiner Außenseiterrolle sei Rum aus wirtschaftlicher Sicht am interessantesten, sagt Meehan. Als einer von fünf Gründern ist er seit 2008 bei „Banks Rum“ dabei und war an der Entwicklung des „Banks 5 Island“ und des „Banks 7 Golden Age“ beteiligt. „Die beiden Blends gehören zu den wenigen, die Rumsorten aus der West- und Ostkaribik mischen und sind die einzigen mit Batavia Arrack von der indonesischen Insel Java“, sagt Meehan. Er sieht Banks als Pionier unter den Rum-Blends: „Vor zehn Jahren hat man Rum als etwas Süßes betrachtet, das nicht wie Whiskey oder Cognac trocken und vielschichtig sein kann.“ Um das Gegenteil zu beweisen, hat er im Jahr 2010 den „Flamingo“ entworfen: Banks 5 Island, Pink Grapefruit Soda, Limettensaft, Limettenachtel. Er soll für Banks das werden, was Gin Tonic für den Aufstieg der Premium-Gins war, was der Moscow Mule für Smirnoff, der Cuba Libre für Bacardi, Jacky-Cola für Jack Daniels ist: ein Signature-Drink.

Meehan war zu einer Kurzvisite in Frankfurt. Von der Stadt erhoffte er sich größere Aufmerksamkeit, als er sie etwa in Berlin bekommt. „In Berlin ist es wie in New York und Los Angeles: Man konkurriert immer mit ähnlichen Events, die gleichzeitig stattfinden.“ Deswegen seien für ihn in den Vereinigten Staaten die kleineren Städte interessanter: Milwaukee, Pittsburgh, Cleveland, Nashville – auch weil die Barkultur dort noch lebendiger sei und sich noch entwickele.

Dabei hatte Meehan seinen endgültigen Durchbruch in New York, wo er 2007 die Bar „Please Don’t Tell“ gründete, die mittlerweile als eine der renommiertesten der Welt gilt. Sie steht in der Tradition der „Speakeasy“-Bars, die in der Zeit der Prohibition entstanden. Die Bar ist hinter dem „Crif Dogs“, einem Hot-Dog-Restaurant versteckt. Wer hineingehen will, muss im „Crif Dogs“ in einer Telefonzelle am Hörer um Einlass bitten.

Angefangen hatte Meehans Barkeeper-Karriere schon viel früher, im Jahr 1995. Vor der Stadtgrenze von Chicago aufgewachsen, war Meehan zum Studium nach Madison gezogen. Dort fand er einen Job in der Bar „State Street Brats“, wo er sich hocharbeitete – vom Türsteher bis zum Manager. Mit 22 entschied er dann, eine Karriere als Barkeeper einzuschlagen. 2002, vier Jahre später, zog es ihn nach New York, wo er wieder ganz unten anfing, als Tellerwäscher in einem Restaurant.

In seinem neuesten Buch, dem „Bartender Manual“, beschäftigt er sich auf fast 500 Seiten mit dem Beruf des Barkeepers – und allem, was dazu gehört: Bar-Design, Service, Gastfreundschaft, Auswahl der Spirituosen. Und natürlich Cocktails. „In meinem ersten Buch ging es nur um die Cocktails, in diesem Buch habe ich mich mit der gesamten Bar-Kultur befasst“, sagt Meehan. Von der könne die Gesellschaft etwas lernen. „Barkeeper setzen klare Prioritäten und gehen Probleme beherzt an, anstatt sie zu ignorieren oder vor ihnen wegzulaufen.“ Meehan beunruhigt neben dem Klimawandel vor allem die zunehmende Polarisierung, die meisten seiner Tweets befassen sich mit gesellschaftlichen Themen. „Barkeeper haben einen sehr persönlichen, menschlichen Job. Man muss mit dem Barkeeper reden, um einen Drink zu bekommen. Und ich denke, je mehr wir persönlich miteinander reden und nicht über Social Media, desto eher können wir wieder zueinander finden.“

Für das zweite „Takeover“ hatte sich Meehan in Frankfurt das „Hunky Dory“ ausgesucht. Anders als im „Gekkos“ hielt sich das Interesse dort in Grenzen. Eine Handvoll Gäste waren da, die erst vor Ort von der Veranstaltung erfuhren. „Gestern hatten wir auch ein Takeover, da war volles Haus“, sagte Armin Azadpour, der die Bar 2016 eröffnet hat. „Da steckt man oft nicht drin.“ Vielleicht lässt der große Rum-Hype einfach noch auf sich warten.