Medizin & Ernährung

Oberste Gesundheitsbehörde: Frankreich glaubt nicht an Homöopathie

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Im Labor: Produktion homöopathischer Mittel in Lyon

Die französische Gesundheitsbehörde sieht keinerlei Nutzen in Globuli. Streicht die Regierung deshalb bald die Erstattung der Kassen? Das dürfte die Debatte auch in Deutschland verschärfen.

Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für ihre Wirksamkeit, doch irgendwie glauben viele Menschen, Homöopathie tue ihnen gut. Soll die Kosten deshalb die Allgemeinheit tragen? In dem Streit über die Erstattung durch die Krankenkassen, der in vielen Ländern tobt, könnte Frankreich bald ein aufsehenerregendes Signal setzen: Die oberste Gesundheitsbehörde des Landes, die Haute Autorité de Santé (HAS), ist zu dem Schluss gekommen, dass homöopathische Mittel nichts bringen und sie deshalb nicht erstattet werden sollten. Das berichtete die Tageszeitung „Libération“ in ihrer Donnerstagsausgabe.

Die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, eine Ärztin, hat mehrfach angekündigt, dass sie sich nach dem Rat des HAS richten werde. Am Donnerstag sagte die Ministerin im Fernsehen zwar, dass sie die Entscheidung nicht sofort treffen wolle, denn sie habe mit der aktuellen Hitzewelle genug zu tun. „Ich finde, die Entscheidung kann noch einige Tage warten“, sagte Buzyn. Doch aufgrund ihrer früheren Aussagen müsste der Beschluss eigentlich auf die Streichung aus dem Leistungskatalog der staatlichen Krankenkassen hinauslaufen.

Ein solcher Schritt dürfte die Debatte auch in Deutschland verschärfen. Viele Krankenkassen bezahlen homöopathische Mittel, weil die Nachfrage nicht zu vernachlässigen ist und sie sonst den Verlust von Kunden befürchten müssten. 72 Prozent der Franzosen meinen laut einer aktuellen Umfrage, homöopathische Mittel seien gut für die Gesundheit.

Umsatz von mehr als 600 Millionen Euro

52 Prozent erklären sich als Konsumenten solcher Mittel. Die Gesundheitsbehörde HAS will ihre Expertenmeinung am Freitag auf einer Pressekonferenz bekanntgeben. Doch an der Pariser Börse schlug sich die Debatte schon am Donnerstag nieder. Der Hersteller Boiron, der sich als größter Anbieter homöopathischer Mittel der Welt bezeichnet, setzte den Handel mit seiner Aktie aus, nachdem „Libération“ von der Ablehnung durch die Experten berichtet hatte.

Das Familienunternehmen mit Sitz in Lyon, das 1932 von zwei französischen Apothekern gegründet wurde, beschäftigt heute 3600 Mitarbeiter und exportiert bei einem Umsatz von mehr als 600 Millionen Euro in rund 50 Länder. Boiron steht auch hinter einer Kampagne zugunsten der Homöopathie. Für Freitag haben die Befürworter in Paris und in Lyon zu einer Demonstration aufgerufen.

Mehr als 1,1 Millionen Menschen nahmen zudem bei einer Unterschriftenaktion unter dem Titel „Meine Homöopathie – meine Wahl“ teil. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, sagt ein Boiron-Sprecher. Das Unternehmen hat an der Börse in den vergangenen zwei Jahren mehr als die Hälfte seines Wertes verloren.

Die Freunde der Homöopathie glauben nicht nur an die Wirksamkeit ihrer Mittel, sie verweisen auch auf die geringen Kosten. So liege der durchschnittliche Preis der erstattungsfähigen Mittel bei 2,70 Euro gegenüber 9,90 Euro für traditionelle Medikamente. Ohne homöopathische Mittel würden Patienten wieder zu den teureren Arzneien greifen, glauben sie. Einer von vier Hausärzten und fast vier Fünftel aller Hebammen würden die Mittel regelmäßig verschreiben. 20 Prozent aller Krebspatienten sind ebenfalls Nutzer, um die Nebenwirkungen ihrer Behandlung zu lindern.

Im vergangenen Jahr belief sich die Erstattung homöopathischer Mittel in Frankreich auf knapp 127 Millionen Euro. Gegenüber den rund 20 Milliarden Euro für alle Medikamente war dies überschaubar. Doch das französische Gesundheitswesen steht unter Kostendruck, die Ministerin sieht sich zum Sparen gezwungen.