Ausland

Sea-Watch-Kapitänin Rackete: Riskantes Manöver und unerwünschte Belehrungen

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Italienische Polizisten führen die Kapitänin Carola Rackete ab.

Carola Rackete, die Kapitänin der „Sea-Watch 3“, spaltet das politische Italien. Die Linke lobt sie, Innenminister Salvini wirft der Deutschen einen „Kriegsakt“ vor.

Carola Rackete hat sich für ihren Fehler entschuldigt, gleich mehrfach. Es geht um das gefährliche Anlegemanöver der Kapitänin des Rettungsschiffs „Sea-Watch 3“ am frühen Samstagmorgen gegen 1.30 Uhr. Dabei war sie, obwohl sie nach Auskunft der italienischen Finanzpolizei dreimal zum Abdrehen aufgefordert worden war, auf eine Mole im Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa zugesteuert. Doch die Mole war von einem Schnellboot der Finanzpolizei blockiert.

Was dann geschah, erhitzt die Gemüter. Und wie dieser Vorgang zu bewerten ist, befeuert die kontroverse Debatte – in Italien, in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern. Jedenfalls kam die 31 Jahre alte Kapitänin mit ihrem 600-Tonnen-Schiff dem viel kleineren Schnellboot der „Guardia di Finanza“ immer näher, touchierte es und drängte es schließlich ab. In italienischen Medien wurden Besatzungsmitglieder des Patrouillenbootes zitiert, die nach eigenen Angaben um ihr Leben fürchteten. „Wir waren an der Mole eingeklemmt“, zitierte die Agentur Adnkronos am Samstag einen der fünf Beamten an Bord, dort hätten für Sekunden „Angst und Schrecken geherrscht“. Auf Videos von dem Vorfall ist zu erkennen, dass der Führer des Patrouillenboots im letzten Augenblick buchstäblich die Flucht nach vorne antritt und von der Mole abfährt, bevor das Heck der „Sea-Watch 3“ von Kapitänin Rackete vollends an die Mole gesteuert wird.

„Ich hatte Angst“

„Es war ein Fehler“, ließ Rackete über ihre Anwälte der Tageszeitung „Corriere della Sera“ vom Sonntag mitteilen. „Ich habe mich dafür bereits entschuldigt und tue es nochmals: Ich bin sehr traurig, dass es so abgelaufen ist. Ich wollte das Boot der ,Guardia di Finanza’ gewiss nicht rammen. Es war nicht meine Absicht, jemanden in Gefahr zu bringen.“ Aber die Situation an Bord ihres Schiffes sei unhaltbar gewesen. Sie habe einzig die Absicht gehabt, „erschöpfte und verzweifelte Menschen an Land zu bringen: Ich hatte Angst.“ Angst davor, dass einer der 40 Migranten über Bord springen, sich umbringen könnte. Es habe schon Akte der Selbstverletzung unter den Migranten gegeben. Aufschub und weiteres Warten auf eine diplomatische Lösung, die sich am Freitagabend abgezeichnet hatte – Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg und Portugal werden die Migranten wohl übernehmen –, seien nicht mehr möglich gewesen. „Nie, nie, nie soll jemand denken, dass ich das Patrouillenboot rammen wollte“, wird Rackete vom „Corriere della Sera“ zitiert.

Die fast schon flehentliche Entschuldigung der Kapitänin konnte Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalistischen Lega nicht milder stimmen. Vielmehr verschärfte Salvini seine Rhetorik noch: Aus der „kriminellen Handlung“, die er am Samstag gegeißelt hatte, wurde am Sonntag ein „Kriegsakt“.