Ausland

Naher Osten: Maas’ Reise in die Krise

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Außenminister Heiko Maas (SPD)

Deutschlands Außenminister ist auf heikler Mission im Nahen Osten. Der Streit über das Atomabkommen mit Iran habe „die Fieberkurve heftig ausschlagen lassen“, sagt Heiko Maas.

Der deutsche Außenminister nähert sich dem heikelsten Ziel seiner Reise in den Nahen Osten im Zickzack-Kurs. Am Montag will Heiko Maas in Teheran sein und die iranische Führung dazu bewegen, den Streit über das Atomabkommen nicht weiter zu verschärfen. In der Kontroverse über die Zukunft dieser Vereinbarung, die vor vier Jahren zwischen den Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrats und Deutschland einerseits und Iran andererseits geschlossen wurde, steckt die größte akute Gefahr für die Stabilität der Region am Persischen Golf. Das Abkommen sollte Iran auf dem Weg zu eigenen Atomwaffen zumindest anhalten. Der amerikanische Präsident Donald Trump kündigte es als „schlechten Deal“ vor Jahresfrist für die Vereinigten Staaten auf und verhängte nationale, aber international wirksame Sanktionen gegen Teheran. Die iranische Führung stellte ihrerseits vor wenigen Wochen das Abkommen zur Disposition und kündigte an, sie wolle sich von Juli an nicht länger daran halten und wieder Uran anreichern – falls die europäischen Vertragspartner nicht in der Lage sein sollten, die Einschränkungen durch die wirtschaftlichen Sanktionen zu mildern.

Diese Frist wurde von europäischen Diplomaten einerseits als „Ultimatum“ aufgefasst und mit deutlichen Worten abgelehnt- sie gilt andererseits aber auch als eine diplomatische Gelegenheit, um mit Teheran ins Gespräch zu kommen und nach einem Ausweg aus der aktuellen Konfrontation zu suchen. Er müsste die Spannungen mindern, die zwischen Amerika, Saudi-Arabien und Israel einerseits sowie Iran, Syrien und den von Iran unterstützten Terror-Milizen Hizbullah im Libanon und Hamas im Gazastreifen andererseits bestehen. Im Irak, dem zweiten Ziel von Maas’ Nahost-Reise, konkurrieren beide Einflusssphären miteinander.

„Wie in einem Brennglas“

Nach seiner Landung in Bagdad sagt Maas am Samstag, hier würden die Spannungen, die den Nahen und mittleren Osten durchziehen, „wie in einem Brennglas“ gebündelt. Der Außenminister trifft in der irakischen Hauptstadt nacheinander den schiitischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi und den sunnitischen Staatspräsidenten Barham Ahmad Saleh. Er würdigt in seinen Gesprächen „die ausgleichende Rolle Iraks auch gegenüber Iran“ und bietet an, Deutschland wolle diese ausgleichende Rolle stützen.

Gerade erst ist der Schatten der letzten großen Bedrohung von dem Land zwischen Euphrat und Tigris gewichen. Vor einem Jahr verkündete die irakische Führung, der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) sei zu Ende, der Kalifat-Staat sei jedenfalls auf irakischem Territorium endgültig besiegt. Nun droht durch die Eskalation der Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Iran schon eine neue, andere Gefahr, ohne dass die vorherige endgültig gebannt wäre. Das hat Maas auf der ersten Station seiner Reise erfahren, in einem Feldlager der Bundeswehr, die in Jordanien nahe der irakischen Grenze vier Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert hat, und die von dort aus die internationale Allianz gegen den IS mit täglichen Einsätzen unterstützt.

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Die Mission läuft Ende Oktober aus- sie war vor einem Jahr schon mit der Einschränkung um zwölf Monate verlängert worden, das sei jetzt das letzte Mal. Doch dem deutschen Außenminister wird von den Soldaten im Einsatz bedeutet, dass sie ihre Aufgabe noch nicht vollständig für erfüllt halten. Zwar habe der IS sein Territorium verloren und keine festen Rückzugsgebiete mehr. Doch gebe es nach wie vor Einheiten von Terrorkämpfern, die nun sogar beweglicher und schwerer zu bekämpfen sein.Die irakischen Truppen seien aber noch nicht in dem Maß ausgerüstet und geschult worden, dass sie diese Bedrohung alleine bewältigen könnten. Es ist freilich offen, ob diese Einschätzungen den Bundestag in Berlin dazu bewegen werden, das Mandat der deutschen Luftwaffe nochmals zu erneuern- zumal jetzt Wünsche der Vereinigten Staaten öffentlich wurden, Deutschland möge die Aufklärungsflüge über den Herbst hinaus weiterführen, um möglicherweise auch amerikanische Truppenbewegungen im Norden Syriens zu schützen. Maas, der die Widerstände in seiner SPD-Fraktion gegen eine Verlängerung des Mandats gut kennt, nannte den Einsatz am Samstag „zurzeit noch absolut unabdingbar“. Nach der Sommerpause müsse die Sicherheitslage aktuell bewertet werden.

Deutschland beteiligt sich im nordirakischen Kurdengebiet und auf einem Militärstützpunkt nahe Bagdad an der Ausbildung der irakischen Armee, die Bundesregierung hat seit 2014 überdies für den Wiederaufbau der beim Kampf gegen den IS zerstörten Städte und für Flüchtlingshilfe mehr als 1,7 Milliarden Euro aufgewendet. Maas sichert zu, Deutschland wolle „den Wiederaufbau des Iraks weiter unterstützen“.

Auch die Metaphern werden schriller

Die Reiseroute des Ministers führt von Bagdad zurück in die jordanische Hauptstadt Amman, dann in die Vereinigten Arabischen Emirate, schließlich nach Teheran. Die Gesprächsthemen variieren – der angekündigte neue Nahost-Friedensplan, die Kriege im Jemen und in Syrien gehören dazu. Allen Konflikten ist gemeinsam, dass sich der Gegensatz zwischen den Absichten der sunnitischen arabischen Welt und Irans Interessen in ihnen abbildet. Und selten haben deutsche Diplomaten die Lage im Nahen Osten in derart dramatische Worte gefasst, wie das vor und während der aktuellen Reise des Ministers der Fall gewesen ist. Schon bei der Ankündigung war von „einer Reise in die Krise“ die Rede gewesen. Nach seiner Ankunft warnte Maas selbst vor der „Gefahr, dass Fehlkalkulationen, Missverständnisse, Provokationen in einer höchst angespannten Region zu unabsehbaren Folgen führen“.

Auch die Metaphern werden schriller. Der Streit über die Zukunft des Atomabkommens habe „die Fieberkurve heftig ausschlagen lassen“, sagt Maas und stellt auch noch fest, „dass in dieser überaus angespannten Situation im Nahen und Mittleren Osten niemand noch Öl ins Feuer gießen darf“.