Wirtschaft

Nur im Osten: In vier Städten verdienen Frauen mehr als Männer

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Schön anzusehen: der Altmarkt in Cottbus

Schaut man nur auf Vollzeit-Gehälter, verdienen Männer in Deutschland im Schnitt ein Fünftel mehr Geld als Frauen. Doch es gibt Orte, in denen das Verhältnis umgekehrt ist.

In vier Landkreisen in Ostdeutschland verdienen Frauen mehr als Männer. Das geht aus einer neuen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach haben in Cottbus vollzeitbeschäftigte Frauen ein rund 4 Prozent höheres Einkommen als vollzeitbeschäftigte Männer. Auch in Frankfurt an der Oder, Dessau-Roßlau und Schwerin liegen sie im Schnitt mit ihren Bezügen vor den Männern.

Im bundesweiten Durchschnitt erhalten dagegen in Vollzeit tätige Männer rund 21 Prozent mehr Lohn oder Gehalt, wie die Autoren betonen. Unterschiede bei Branche, Position, Qualifikation, Berufswahl und Arbeitserfahrung sind bei dieser sogenannten unbereinigten Lohnlücke (oder „Gender Pay Gap“) nicht berücksichtigt.

FAZ.NET hat im vergangenen Jahr in einer eigenen Berechnung auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit die Medianeinkommen von Frauen und Männern in den deutschen Städten und Kreise verglichen. Dabei zeigte sich das Ergebnis, dass sogar in noch mehr Städten und Landkreisen Ostdeutschlands Frauen mehr verdienen als Männer.

Rechnet man die gehaltsbestimmenden Faktoren und die Arbeit in Teil- oder Vollzeit mit ein, schrumpft die Lücke nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes deutschlandweit auf rund 6 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss: 15 Prozentpunkte des Lohnlücke können durch die Faktoren erklärt werden, die verbleibenden 6 Prozent bleiben unerklärt.

Andererseits ebnet diese Bereinigung auch regional die positiven Ausreißer zugunsten der Frauen ein, wie die vier Forscherinnen hinter der IAB-Studie schreiben: Es zeigt sich das vertraute Bild – Männer verdienen in allen Städten und Landkreisen mehr als Frauen.

Landkreise unterscheiden sich stark

Ein entscheidender Teil der Gender Pay Gap wird dadurch erklärt, dass Frauen deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Dem Statistischen Bundesamt zufolge arbeitet nahezu jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit, aber nur fast jeder zehnte Mann.

Zudem unterbrechen Frauen wesentlich häufiger als Männer ihre Erwerbstätigkeit für Kindererziehung und Familienphasen. „Als Folge müssen Frauen einen Lohnabschlag aufgrund familienbedingter Erwerbsunterbrechungen in Kauf nehmen“, heißt es in der Studie. Dazu komme, dass Frauen oft Tätigkeiten verrichten, die einem geringeren Verdienst und auch mit flacheren Karriereverläufen verbunden sind.

Viele dieser Faktoren seien je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt, betonen die IAB-Forscherinnen: „Es hängt sehr stark von den konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort ab, ob und wie viel Frauen weniger verdienen als Männer.“ Auf Kreisebene betrachtet unterscheidet sich die unbereinigte Lohnlücke daher erheblich.

Süden gegen Osten

Die größten Unterschiede finden sich demnach in den wirtschaftlich starken Regionen Süddeutschlands: Im Bodenseekreis, in Ingolstadt oder im Landkreis Dingolfing-Landau verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen beispielsweise rund 40 Prozent weniger als Männer. Das hat liegt an der ansässigen Industrie: In Dingolfing-Landau hat BMW ein großes Werk, in Ingolstadt Audi und am Bodensee die Automobilzulieferer und Maschinenbauer ZF Friedrichshafen und MTU.

In der Industrie werden statistisch betrachtet hohe Gehälter gezahlt und mehrheitlich Männer beschäftigt – folglich fällt die unbereinigte Lohnlücke dort besonders hoch aus. Im Gegensatz dazu sind in den ostdeutschen Bundesländer die am besten zahlenden Arbeitgeber häufig die Behörden und der öffentliche Dienst – wo mehr Frauen als Männer arbeiten.

Auf diese Weise lässt sich ein Teil der Gender Pay Gap zugunsten der Frauen im Osten erklären. In Cottbus zum Beispiel arbeiten rund ein Fünftel der Frauen im Staatsdienst, Männer sind dagegen überdurchschnittlich häufig in der Zeitarbeitsbranche beschäftigt.