Medizin & Ernährung

Transplantationsmedizin: Schweine, wollt ihr ewig leben?

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Aktivierte Nervenzellen aus dem Hippocampus eines Schweins, zehn Stunden nach der Enthauptung.

Eine Auferstehung besonderer Art wollen amerikanische Forscher bewerkstelligt haben. Sie haben in die Gehirne von toten Schweinen wieder Funken von Leben eingehaucht. Ist das Unfug? Oder steckt doch mehr dahinter?

Ostern ist immer eine gute Zeit, sich existentiellen Fragen zu widmen. Wie zeigt sich der Tod? Ist er unwiderrufbar? Oder kann man ihn rückgängig machen? Wir wissen nicht, ob die Redaktion von „Nature“ ähnliche Gedanken hegte, als sie ausgerechnet während der Karwoche mit großem Trara eine Studie veröffentlichte, die sich mit der Wiederbelebung toter Gehirne befasste. So oder so war die Reaktion vorauszusehen: Kaum ein Bericht (einschließlich dieses hier) ließ sich den biblischen Kontext entgehen. Es ging zwar nur um Schweine, und man kann auch nicht behaupten, dass sie in irgendeiner Weise wiederauferstanden sind. Trotzdem hieß es, die Schwelle zwischen Leben und Tod sei ein weiteres Stück hinausgeschoben worden. Und wer weiß, was daraus alles folge.

Hauptautor der angeblich bahnbrechenden Studie ist Nenad Sestan, Professor für Neurowissenschaften, komparative Medizin, Genetik und Psychiatrie, der an der Yale School of Medicine in New Haven ein Labor leitet. Vor einem Jahr war er schon mal ins Gerede geraten, als er einen Vortrag ähnlichen Inhalts vor den amerikanischen National Institutes of Health gehalten hatte. Die Aufregung hielt sich da noch in Grenzen, man nahm die Sache nicht recht ernst. Nun, mit unabhängigen Gutachten und allen höheren Weihen des Wissenschaftsbetriebs versehen, sieht das anders aus. Von „Frankenschweinen“ ist die Rede. Und davon, dass man das gesamte Konzept vom Hirntod, das in der Transplantationsmedizin eine entscheidende Rolle spielt, jetzt gründlich überdenken müsse.

Muss man das Konzept von Hirntod überdenken?

Auf die Idee, an toten Schweinen zu experimentieren, waren Sestan und seine Mitstreiter verfallen, weil es daran nun wirklich nicht mangelt. Allein in Deutschland wandern jährlich knapp 58 Millionen in die Schlachthäuser, in den Vereinigten Staaten ungefähr doppelt so viele. Die Forscher mussten sie nicht einmal zu Versuchstieren deklarieren, was eine Menge Papier- und Verwaltungskram ersparte. Die Tiere wurden nach den Richtlinien der amerikanischen Fleischindustrie fachgerecht geschlachtet, im relativ jungen Alter zwischen sechs und acht Wochen, was hierzulande noch als Spanferkel durchgehen würde. Die abgetrennten Köpfe wurden von den Forschern enthäutet, dann mussten Unter- und Oberkiefer sowie der knöcherne Schädel dran glauben. Auch Nerven und Adern wurden gekappt, das nackte Gehirn wurde schließlich an eine Art Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die eine Speziallösung hineinpumpte.

Sechs Jahre lang hatte das Team von der Yale School of Medicine an dieser sinnigerweise „BrainEx“ genannten Methode getüftelt und sie an Hunderten von Schweinen getestet. Ausgangspunkt war die Frage, was eigentlich genau bei einem Ausfall der Blutversorgung im Gehirn passiert. Bekommt es, etwa nach einem Schlaganfall, mehr als ein paar Minuten lang keinen frischen Sauerstoff, ist es nach medizinischer Lehrmeinung verloren. Milliarden von Zellen gehen im Handumdrehen zugrunde. Was für Nenad Sestan nie ganz ins Bild passte: Isolierte Zellen hielten im Labor viel länger durch und waren selbst nach Stunden ohne Sauerstoff noch zu reanimieren. Vielleicht gilt das nicht nur im Reagenzglas, sagte sich der Wissenschaftler. So kamen die Schweinehirne ins Spiel.

Vom Zeitpunkt der Schlachtung an dauerte es vier Stunden, bis die BrainEx-Maschine ihre Arbeit aufnahm. Ob das logistische Gründe hatte, ob die Präparation so viel Zeit in Anspruch nahm, geht aus der aktuellen Veröffentlichung nicht hervor. Die Frage wurde auch auf der begleitenden Pressekonferenz nicht geklärt. Ein optimales Studiendesign hätte anfangs sicher kürzere Zeitspannen vorgesehen. Doch auch so zeigte sich der erhoffte Effekt: Sobald das als Blutersatz dienende Perfusat durch die Gefäße der toten Schweinehirne strömte, zeigten die Nervenzellen in den folgenden sechs Stunden tatsächlich das eine oder andere Lebenszeichen.