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Familie Dautel: Rebellen mit Weingut

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Die nächste Querkopfgeneration steht mit Christian Dautel längst bereit.

Rebellen sind Ernst, Christian und all die anderen Dautels aus dem württembergischen Winzerort Bönnigheim schon immer gewesen – was ihren Weinen keineswegs schadet. Die Kolumne Geschmackssache.

Am 8. August 1514 endete das Leben des Jakob Dautel durch das Schwert des Scharfrichters, und noch im Tod verfolgte ihn die Rache des württembergischen Herzogs Ulrich, der den Kopf des rebellischen Weinbauers bis zur Verwesung auf dem Schorndorfer Stadtturm aufspießen ließ. Das war die Strafe für Dautels Rädelsführerschaft während des Armen Konrad, eines Aufstands der kleinen Leute gegen den Blutsaugerherzog. Jakob Dautel stand an vorderster Front beim Kampf der Entrechteten und Geknechteten gegen die Tyrannei und wird deshalb auch ein halbes Jahrtausend nach seinem Tod von seiner Familie noch in höchsten Ehren gehalten: mit einem monumentalen Stammbaum in der Vinothek des Weinguts, der seinen Namen als einen der ersten des Geschlechtes Dautel ausweist- und mit dem Rotwein Jakob D., dessen Etikett sein stolzes Konterfei ziert, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Lemberger und Spätburgunder, die nach einem selbstbewussten, kraftstrotzenden Landmann schmeckt und ihrem Namenspatron in allen Ehren gerecht wird – auch wenn er auf der Flasche nicht wie ein Bauernkrieger, sondern wie ein Dandy im Stile Oscar Wildes aussieht.

Von einem rebellischen Geist ist die Familie Dautel bis heute beseelt. Das bekam Mitte der siebziger Jahre die örtliche Winzergenossenschaft zu spüren, in der alle Weinbauern Mitglied waren, weil damals in Württemberg fast nur die Winzer mit Adelstitel das Privileg genossen, ein eigenes Gut zu führen. Das kümmerte Ernst Dautel allerdings nicht im Geringsten. Seine Querköpfigkeit hatte er schon zuvor unter Beweis gestellt, als er es wagte, in Geisenheim Weinbau zu studieren, um danach das Undenkbare zu tun und quasi seinen privaten Armen Konrad auszurufen: Gegen den Willen seiner eigenen Familie trat er aus der Genossenschaft aus und füllte 1978 seinen ersten Wein auf die Flasche. Fortan baute er im vermeintlichen Paradiesgärtchen von Trollinger und Lemberger fremdländische Rebsorten an, experimentierte mit Cuvées im französischen Stil, steckte seine Weine in Holzfässer jeder Größe, pfiff auf den Öchslegrad-Fetischismus und kelterte als einer der ersten Winzer in Deutschland mit einer Sondergenehmigung die Weltrebe Chardonnay, die in Gestalt des Chardonnay S bis heute zu den Klassikern des Gutes gehört – ein Wein von schmelzender Intensität und schmeichelnder Fülle, der sein Holz nicht schamhaft kaschiert, sondern so stolz vor sich herträgt wie einst die Bauernkrieger den flatternden Wimpel des Bundschuh.

Die nächste Querkopfgeneration steht mit Christian Dautel längst bereit, dessen Nonkonformismus sich nicht nur in Dreadlocks, Piercings und Hip-Hop-Hängehose, sondern vor allem in der Flasche manifestiert. Der Sohn hat wie der Vater in Geisenheim studiert, danach bei ersten Adressen im Burgenland, Burgund und Bordeaux, in Südafrika, Australien und den Vereinigten Staaten gearbeitet und 2013 die Leitung des Familiengutes übernommen, ohne auf die Expertise und helfende Hand seines Vaters zu verzichten. Siebzehn Hektar bewirtschaftet er mittlerweile rund um Bönnigheim, darunter die Großen Lagen Michaelsberg, Forstberg, Steingrüben und Schupen. Und dass trotz aller rebellischen Genetik auch ein Traditionalist in ihm steckt, zeigt sein Sortenspiegel, bei dem die Klassiker Lemberger und Riesling neben Weiß- und Spätburgunder dominieren.