Gesellschaft

Emanzipation junger Frauen: Wir sprechen für uns selbst!

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Neda El Saghir, 35 Jahre alt aus Düsseldorf, Mitarbeiterin im Landesintegrationsrat NRW.

Zwischen Zwangsheirat und Ehrenmorden: Wie sich Töchter aus patriarchalen Einwandererfamilien emanzipieren – auch von deutschen Vorurteilen.

Über junge Frauen mit Migrationshintergrund herrschen viele Vorurteile und Annahmen. Zwangsheirat und Ehrenmorde sind die Schlagwörter von Debatten, die sie in die Medien bringen. Doch sie zeigen nicht die Realität der meisten Frauen. Die Töchter, deren Eltern oder Großeltern als Gastarbeiter oder als politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge nach Deutschland kamen und die selbst aber hier geboren wurden und aufgewachsen sind, leben in der Mitte der Gesellschaft. Sie haben erfolgreich studiert oder eine Ausbildung gemacht, verstehen sich zu artikulieren und als Mitglieder dieser Gesellschaft zu agieren. Und doch sind sie oft den Erwartungen des Wertesystems von Elternhäusern und Gemeinschaften ausgesetzt, die von patriarchalischen Strukturen islamischer Kulturen geprägt sind. Sie wollen aber weder von Rechten instrumentalisiert, noch von linken Feministinnen viktimisiert, befreit oder bemitleidet werden. In erster Linie wollen sie für sich selbst einstehen, statt zu Objekten gemacht zu werden.

Die 26 Jahre alte Ronya Othmann etwa, der die Journalistin Dunja Hayali eine Wegbereiterin ist, schreibt als Autorin über ihre Erfahrungen als Tochter eines kurdisch-jesidischen Einwanderers. Die Tatsache, dass ihre bayerischen Freunde in katholischen Elternhäusern ähnlichen Regeln folgen müssen wie sie selbst, erleichtert ihr den Umgang mit der vermeintlichen Rückständigkeit ihres Vaters. Sie erklärt sich seine Erziehungsmaßnahmen mit den dörflichen Strukturen, aus denen er stammt. Auch die zehn Jahre ältere Neda El Saghir betrachtet als Tochter libanesischer Kriegsflüchtlinge die Normen und Werte ihres arabischen Umfeldes mit Empathie. Dass sie als die erste Frau ihrer Familie, die studiert hat, und auch als die erste, die sich scheiden ließ, nicht den Erwartungen entspricht, kann sie hinnehmen. Doch sie wehrt sich gegen das Bild der unterdrückten, muslimischen Frau. Denn sie möchte keine Kronzeugin für Autoren wie etwa Necla Kelek sein, die ihrer Ansicht nach antimuslimische Ressentiments verbreiten. Ihr Hintergrund hat ihr kein Bein gestellt, sondern sie stärker gemacht.