Essen & Trinken

Der teuerste Kaffee Londons: Mit einem Hauch von Traube und Honig, Waldbeeren und Bergamotte

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Alain Ducasse bringt Kaffeekultur nach London. Dass das seinen Preis hat, versteht sich von selbst.

Im neuen Café von Alain Ducasse hinter King’s Cross wird der teuerste Filterkaffee Londons serviert. Ist er sein Geld wert?

Vor nicht allzu langer Zeit musste man in dem schäbigen Gebiet um den Londoner Bahnhof Kings’s Cross vor Kriminellen auf der Hut sein. Die Entscheidung, den Eurostar-Terminal in den benachbarten St.-Pancras-Bahnhof zu verlegen, führte nicht nur dazu, dass die alte Pracht des in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch vom Abriss bedrohten neugotischen Bauwerks wiederhergestellt wurde.

Sie gab auch den Anstoß für die Sanierung des verkommenen viktorianischen Umschlag- und Industrieareals hinter King’s Cross. Wo einst Drogen und Sex gehandelt wurden, können Besucher jetzt inmitten eines Komplexes mit Wohn- und Büroblocks, mit einer Kunsthochschule, mit Brunnenanlagen und einem gehobenen Einkaufzentrum in zwei von dem Stardesigner Thomas Heatherwick umgestalteten viktorianischen Kohlelagern für fünfzehn Pfund die wohl teuerste Tasse Filterkaffee der Stadt genießen.

Obwohl die elf Barhocker in dem engen Lokal unter den ehemaligen Eisenbahnbögen nicht zum Verweilen einladen, ist der Genuss nichts für Passanten, die sich mit einem eiligen Koffeinstoss wachrütteln wollen. Denn das jüngst eröffnete Boutique-Café des vielfach besternten französischen Kochs Alain Ducasse unterzieht die in seiner eigenen Rösterei in Paris gerösteten Bohnen aus dem kriegsversehrten Jemen einem Ablauf, der wie eine Mischung aus Teezeremonie und Weinprobe anmutet. Mit der Präzision eines Laboranten wiegt der Kaffeesommelier – oder „Cafelier“, wie er sich nennt – 16,5 Gramm der kostbaren Ernte und reicht sie nach dem Mahlen dem Kunden über die Theke, damit dieser die Düfte riechen kann: Traube und Honig, Waldbeeren und Bergamotte suggeriert der Cafelier. Dann gießt er zweihundertfünfzig Milliliter auf 91 Grad geheizten Wassers mit Kreisbewegungen nach und nach durch den Filter in eine Glaskaraffe.

Gemessen am Spitzenangebot ein Schnäppchen

Wie beim Wein entfaltet sich das Aromaspektrum beim Abkühlen, weshalb der Cafelier empfiehlt, die teefarbene Flüssigkeit schlückchenweise und mit längeren Pausen zu trinken. Dazu werden ein Miniriegel dunkle Schokolade und eine Madeleine frisch aus dem Ofen gereicht. Milch ist zum Filterkaffee tabu. Die aus der Normandie importierte biodynamische Milch gibt es nur zum Cappuccino oder zur heißen Schokolade aus Madagaskar.

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Diese sind, ebenso wie ein Cascara, der Tee aus den Schalen der Kaffeekirsche, gemessen am Spitzenangebot ein Schnäppchen. Wer sich für eine Mischung aus äthiopischen, costaricanischen und burundischen Bohnen entscheidet, kommt freilich schon für 3,50 Pfund in den Gourmet-Genuss, bevor er im Geschäft nebenan der Verführung des Schokoladenangebots erliegt.

Alain Ducasse hat vor einigen Jahren begonnen, sich mit Kaffee und Schokolade zu beschäftigen. Warum eigentlich, fragte er sich, erreichen ausgerechnet Kaffee und Nachtisch, die eine Mahlzeit abrunden sollen, fast nie das Niveau des vorausgehenden Menüs – obwohl sie sich als die letzten beiden gustatorischen Erfahrungen doch besonders nachhaltig in der Erinnerung einnisten. Im Coal Drop’s Yard reißen sie nun die ganze Aufmerksamkeit an sich.