Gesellschaft

Krankenversicherungen: Alterung dürfte noch teurer werden

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Neue Studie zeigt: Die Private Krankenversicherung ist besser vorbereitet.

Versicherungsmathematiker haben eine Studie zu den demographischen Auswirkungen herausgebracht. Es zeigt sich: Die Private Krankenversicherung ist besser vorbereitet.

Je abstrakter man die Folgen des demographischen Wandels untersucht, desto harmloser wirken sie. Zum Beispiel zeichnet sich ab, dass im Jahr 2025 die gesetzliche Krankenversicherung rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen wird und im Jahr 2060 auch. Was das aber für den einzelnen Versicherten bedeutet und in welchem Ausmaß die Pflegeversicherung getroffen wird, zeigt sich erst bei genauerer Betrachtung. Deshalb haben die Versicherungsmathematiker der Deutschen Aktuarvereinigung eine Studie zu den „Auswirkungen demographischer Effekte auf die Krankenversicherung“ ausgearbeitet, die am Montag veröffentlicht wurde.

Darin zeigt sich, dass die privaten Versicherungssysteme (Kranken und Pflege) wegen der Kapitaldeckung resistenter gegen eine veränderte Alters- und Bevölkerungsstruktur sind als die gesetzlichen Umlagesysteme und dass wiederum die Pflegeversicherung sowohl gesetzlich als auch privat sensibler auf Veränderungen reagiert als die Krankenversicherung. Beide gesetzlichen Systeme werden unter einer strukturellen Einnahmeschwäche leiden. Denn vom Jahr 2025 an wird sich der Altenquotient (das Verhältnis von Menschen im Ruhestandsalter zu Menschen im Erwerbstätigenalter) innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten von 35 je 100 auf 55 je 100 erhöhen und dann bis 2060 kaum mehr verändern. Doch höhere Leistungen in der Pflegeversicherung sind schon beschlossen. Der Anteil der gesetzlichen Pflegeversicherung am BIP, der momentan rund 1 Prozent ausmacht, wird sich verdoppeln. Auf den individuellen Beitragssatz gerechnet, ergibt sich eine Verdreifachung von rund 2 Prozent des Arbeitseinkommens auf 6 Prozent.

Nur zum Teil risikogerecht kalkulierbar

Diese erheblichen Effekte des Umlagesystems werden etwas abgeschwächt auch Kunden mit einer privaten Pflegepflichtversicherung zu spüren bekommen. Die Mitversicherung der Kinder und die Höchstbeitragskappung sorgt dafür, dass die Beiträge nur zum Teil risikogerecht kalkuliert werden können. Wegen der individuellen Beitragssätze allerdings wird die private Pflegeversicherung keine strukturelle Einnahmenschwäche erleben. Das trifft noch in stärkerem Ausmaß auf die private Krankenversicherung zu. Die Beiträge sind kohortengerecht kalkuliert. Heftig hingegen hat die privaten Anbieter in den vergangenen Jahren der Zinsverfall getroffen. „Den großen Teil der Zinssenkungen sollten wir gesehen haben. Ein Anstieg wird dämpfend auf die Beiträge wirken“, sagte Ralph Brouwers, DAV-Arbeitsgruppenleiter.

Eine unkalkulierbare Größe sei für alle vier (also je zwei gesetzliche und zwei private) Systeme der medizinisch-technische Fortschritt. Im Tragfähigkeitsbericht zu den öffentlichen Finanzen an das Bundesfinanzministerium, der den Finanzbedarf der Sozialsysteme errechnet, werde dieser Effekt unterschätzt. „Oft wird unterstellt, dass sich die Gesundheitsausgaben je Kopf so wie das BIP je Kopf entwickeln. Die Beobachtung der Realität gibt das aber nicht her“, sagt Brouwers. In den zwei Jahrzehnten bis 2016 seien die Ausgaben je Kopf um 0,4 Prozentpunkte stärker gestiegen als das BIP je Kopf. Alles in allem werde der demographische Effekt dazu führen, dass der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Jahr 2060 von rund 16 auf rund 20 Prozent steigen werde und der medizinische Fortschritt zu einer weiteren Steigerung auf 25 Prozent führen werde.

Doch auch privat Versicherte bleiben nicht verschont. Der Beitragssatz von durchschnittlich 360 Euro im Monat werde sich auf das 2,7-Fache erhöhen, bei einer günstigeren Zinsentwicklung auf das 2,4-Fache. Der Umfang des medizinisch-technischen Fortschritts werde dafür verantwortlich sein, ob der Anstieg auf das Doppelte gedämpft werden oder gar auf das Dreifache steigen könne. Hier wiederum ist die Pflegeversicherung – egal ob privat oder gesetzlich – begünstigt, weil der Anstieg von der moderateren Lohnentwicklung der Pflegekräfte bestimmt werde. „Sozialpolitik wird leider oft nur von Legislaturperiode zu Legislaturperiode gedacht“, kritisierte der DAV-Vorsitzende Roland Weber. „Es ist gut, die Pflegeversicherung nicht zur Vollkaskoversicherung zu machen. Man sollte darüber nachdenken, ob man künftige Leistungssteigerungen durch Kapitaldeckung finanziert.“