Ausland

EU-Gipfel: In der Rolle des geschickten Vermittlers

• Bookmarks: 6


„Die französischen Vorschläge wurden angenommen“: Obwohl viele den Triumph nationaler Lösungen vorhergesagt hätten, habe sich eine europäische Lösung finden lassen, twitterte Macron.

Macrons Bemühungen, eine europäische Lösung in Brüssel zu finden, fruchten. Er trat gekonnt als Mittler zwischen verhärteten Fronten auf….

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat nach der Einigung in Brüssel zufrieden vermeldet: „Die französischen Vorschläge wurden angenommen“. Obwohl viele den Triumph nationaler Lösungen vorhergesagt hätten, habe sich eine europäische Lösung finden lassen, schrieb er auf Twitter.

Der 40 Jahre alte Präsident setzte sich als wichtiger Mittler auf der europäischen Bühne in Szene. In der Nacht verbreitete er über Twitter Fotos von sich und dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, wie sie sich in ein inniges Gespräch vertieft über Blätter beugten: „Wir mobilisieren uns, um eine europäische Übereinkunft zu erreichen.“ Tatsächlich spielte Macrons Überzeugungsarbeit im nächtlichen Zwiegespräch mit Conte wohl eine Rolle beim Durchbruch. Macron hatte schon seine Reise in den Vatikan zu Wochenbeginn genutzt, um die Verhandlungsmargen des italienischen Regierungschefs bei einem Abendessen in einer Pizzeria in Rom auszuloten. So entstand der Vorschlagskatalog, mit dem Macron nach Brüssel reiste. Der Franzose wärmte dabei Ideen auf, die er bei einem kleinen Flüchtlingsgipfel Ende August2017 Deutschland, Spanien und Italien schon unterbreitet hatte. Damals stieß er noch auf heftige Kritik, als er „Hotspots“ in Afrika verlangte, um Füchtlinge vor der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer abzuhalten. Frankreich hat seither Registrierzentren in Niger und in Tschad eingerichtet und dafür gesorgt, dass es dort sichere Lager für Asylbewerber gibt. Dabei arbeitet Frankreich eng mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen zusammen.

Die französische Asylbehörde Ofpra hat schon mehrere Prüfmissionen vor Ort beendet. Auch Macrons seinerzeit erhobene Forderung, die Freizügigkeit für Migranten auf europäischem Boden einzuschränken und ihren Asylanspruch zunächst in geschlossenen Zentren zu prüfen, führte beim kleinen Flüchtlingsgipfel zu Irritationen. Jetzt konnte Macron mit diesem Vorstoß Übereinstimmung erzielen, wenn auch auf der Grundlage des Freiwilligkeitsprinzips. Zu mehr Zugeständnissen war der italienische Ministerpräsident nicht bereit, hieß es dazu im Elysée-Palast. Paris hatte zunächst erhofft, dass sich Rom zur Einrichtung solcher Zentren bereit erklären würde. Die Verstärkung der EU-Außengrenzen würde aber auch für Italien deutliche Verbesserungen bringen.

Macron hatte dabei auch strikt nationale Interessen im Blick. So will er auf keinen Fall zulassen, dass Frankreich mit seinen Mittelmeerhäfen als Erstaufnahmeland qualifiziert wird. Besonders resolut verlangte er einen verschärften Verhaltenskodex für Hilfsorganisationen. Der Präsident will vermeiden, dass weitere Rettungsschiffe mit Flüchtlingen an Bord im Sommer die Schlagzeilen bestimmen. „Frankreich ist kein Erstaufnahmeland“, sagte der Präsident in Brüssel. Bei einem Besuch in der Bretagne hatte er jüngst kritisiert, dass die Presse und Flüchtlingshilfsorganisationen ihm vorhielten, weder für die „Aquarius“ noch für die „ Lifeline“ einen französischen Hafen angeboten zu haben. Innenminister Gérard Collomb, der als Hardliner in der Flüchtlingspolitik gilt, stehe „links von der öffentlichen Meinung“, sagte Macron. Bei seiner Pressekonferenz im Vatikan hielt der Präsident den Hilfsorganisationen vor, bei ihren Rettungsaktionen „den Schlepperbanden zuzuspielen“.

–>

Seit er im Mai 2017 die Staatsführung übernommen hat, ist Macron nicht von einer restriktiven Einwanderungs- und Asylpolitik abgewichen. Zu den ersten Szenen seiner Präsidentschaft zählte der Austausch mit einer jungen Marokkanerin, die ihn anflehte, ihr ständige Aufenthaltspapiere zu geben. Macron erwiderte, Marokko sei ein sicheres Herkunftsland, deshalb könne die junge Frau kein Bleiberecht in Frankreich beanspruchen. Bei seiner ersten Rede vor den versammelten Volksvertretern in Versailles plädierte Macron für „eine Politik der Kontrolle und des Kampfes gegen Menschenhandel“. Er kündigte schon im vergangenen Juli effizientere Asylverfahren und „konsequente Rückführung“ von abgewiesenen Bewerbern an.

Bei der Opposition stößt die europäische Vereinbarung dennoch auf heftige Kritik. Die Vorsitzende des „Rassemblement national“ (vormals: Front National), Marine Le Pen, sagte, die Vereinbarung kläre das Problem der „Invasion durch Migranten“ nicht. Aber das Freiwilligkeitsprinzip stelle einen Vorteil dar. „Jetzt erwirbt jedes Land das Recht, nein zu sagen“, sagte Le Pen. Fortan sei Macron „ausschließlich verantwortlich für die Masseneinwanderung nach Frankreich“.