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Teile aus dem 3D-Drucker: Radeln wie gedruckt

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Kettenschutz

Einzelteile fürs Rad kommen aus dem 3D-Drucker. Sieben Stunden kann es dauern, bis etwa das Teil eines Kettenschutzes Strich um Strich aufgebaut ist.

Siebengebirgsblick 20 in Wachtberg bei Bonn ist für Fahrradfreunde eine erstklassige Adresse. In anmutiger Hügellage steht da am Rande eines Industriegebiets so schick und modern wie zweckmäßig gestaltet das Domizil von Bike Basics. Besser als dieser Name ist eine der Marken des Unternehmens bekannt: Idworx. Deren Räder mit programmatischen Typenbezeichnungen etwa wie Easy Rohler Evo oder Opinion BLT haben in der Fahrradbranche einen Ruf wie Donnerhall: Sie sind teuer, von eher zurückhaltendem Design entbehren sie allen modischen Schnickschnack, es werden nur beste Komponenten in Handarbeit verbaut. Alles an diesen Rädern zielt auf Vielfahrer und ist auf langlebig-tadellose Funktion hin ausgerichtet.

Dass das so ist, hängt mit dem Chef zusammen: Gerrit Gaastra ist im besten Sinne ein Fahrradverrückter. Wer sich mit ihm über seine Räder unterhält oder einen der Vorträge hört, mit denen er bei seinen Fachhändlern gastiert, glaubt erst mal Rudi Carrell zu hören. Aber das ist nur der Sound. Der gebürtige Niederländer, der in Kanada lebte und Mountainbike fuhr und mit Bike Basics auch beratend in der Fahrradbranche mitmischt, kann in atemberaubendem Tempo eine Viertelstunde lang darüber reden, warum dieser eine Bowdenzug so und nicht anders an einem Idworx-Rad verlegt wird. Details wie diese Kabelführung oder die Winkel von Speichen, die Breite von Felgen und Reifen oder die Geometrie eines Rahmens werden für den begeisterten Enduro-Biker und sein Publikum zum Thema durchaus unterhaltsamer Seminare.

Fahrradhersteller ist Gerrit Gaastra in der vierten Generation. Vater Andries d. J. steuerte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Silbe -ga zum Namen der Qualitätsmarke Koga-Miyata (heute: Koga) bei, Urgroßvater Andries d. Ä. gründete den bis heute existierenden großen holländischen Hersteller Batavus. Mit Idworx produziert der Urenkel keine riesigen Stückzahlen. Auch wenn die Räder optisch beinahe konservativ wirken, stecken sie jedoch voller innovativer und proprietärer Details. Und weil das so ist, schnurrt in der Lagerhalle in Wachtberg einer der vier 3D-Drucker, mit denen bei Idworx gearbeitet wird, vor sich hin. Er ist gerade damit beschäftigt, den genau ums Kurbelblatt herum passenden Teil eines Kettenschutzes zu printen. „Time left: 17 hours“ steht im Display zusammen mit dem Namen der Datei, die, von einer Speicherkarte an den Drucker verfüttert, den „Ultimaker“ steuert. Tatsächlich wird es etwa sieben Stunden dauern, bis das Werkstück Strich um Strich aufgebaut ist.

Wie lange ist es eigentlich her, dass von diesen digital gesteuerten und mit Kunststoffen (oder Metall) plastisch druckenden Kästen wahre Wunderdinge behauptet wurden? Jeder werde sich alles Mögliche selbst drucken können, hieß es, Kleider, Häuser, sogar Waffen. Auf Computer-Messen waren Apparate zu sehen, die meistens Schlüsselanhänger, Flaschenöffner oder Schachfiguren printeten. Diese Kleinigkeiten wurden herumposaunt als das Versprechen auf eine selbstgedruckte Zukunft, und reichlich naiv wurde an die geglaubt.

Die Wirklichkeit bei Idworx ist eher ein Rechenexempel: Es geht um Kleinteile am Fahrrad, zum Beispiel einen Halter für überbreite Schutzbleche oder die Kabel am Rahmen. Je nach Modell und Ausführung des Fahrrads können das an derselben Stelle mal zwei oder auch drei Kabel sein. Andere Hersteller behelfen sich, indem sie Anlötteile für die maximale Zahl am Rahmen anbringen. Verlaufen dann da nur zwei Kabel, bleibt ein Kanal eben leer. Bei Idworx wird ein zweiteiliger Halter angeschraubt: Unter die Abdeckung des Oberteils passen bis zu drei Kabel, und je nachdem, wie viele es sind, werden sie durch ein Unterteil mit der genau richtigen Anzahl von Kanälen geführt.

Der vordere Teil des Kettenschutzes wird in drei Varianten benötigt. Diese Teile könnte man im Spritzgussverfahren herstellen. Aber dafür müsste man erst einmal in Formen, für jede Variante eine, investieren. Kostenpunkt je Form über den Daumen gepeilt: 10 000 Euro. Rentieren würde sich das nur, wenn man zigtausend Exemplare spritzen ließe. Die CAD-Konstruktion des Kettenschutzes, die zur Steuerdatei für den 3D-Drucker umgeformt wird, ist aber ohnehin erstellt worden. Und etwa für ein Drittel der Kosten einer einzelnen Spritzgussform bekommt man einen 3D-Drucker. Der druckt dann alle drei Versionen des Kettenschutzes, wie man sie gerade braucht. Längstens ein Mann-Tag reicht, um aus der Konstruktionszeichnung die Steuerdatei zu machen. Und genauso schnell lassen sich Veränderungen an dem Bauteil vornehmen.

Die Materialkosten für den ABS-Kunststoff eines einzelnen Werkstücks sind, unabhängig vom Herstellungsverfahren, ungefähr gleich. Das Teuerste an dem Kettenschutz aus dem 3D-Drucker ist die Nachbearbeitung und Lackierung. Dabei verschwinden die Spuren des Druckvorgangs: Wie die Schraffur einer Zeichnung legt der Druckkopf mit dem Kunststoff Linie neben Linie in einer Ebene.

Dann wird die Arbeitsbühne minimal abgesenkt und die nächste Ebene auf das Werkstück schraffiert. So entsteht – sehr allmählich – dessen dritte Dimension. Durch den schichtweisen Aufbau des Werkstücks lassen sich auch Formen realisieren, die nur mit höchst komplizierten und entsprechend teureren Spritzgussformen herzustellen wären.Für Gerrit Gaastra ist der 3D-Druck aus Kostengründen genauso wie wegen seiner Flexibilität bei der Herstellung von exklusiven Kleinserien das Mittel der Wahl. Über kurz oder lang werde er nicht mehr nur Kunststoffteile drucken, sagt er. Das Nächste werde die Verarbeitung von Metall sein, um Teile von Fahrradrahmen zu fertigen.