Ausland

Streit am Holocaust-Gedenktag: Israel kritisiert polnische Strafvorschrift

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Der Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (Mitte) und seine Stellvertreterin Beata Szydlo (rechts) entzünden bei einer Gedenkveranstaltung in Auschwitz-Birkenau Kerzen.

Polen will den historisch falschen Begriff „polnische Todeslager“ künftig mit Strafen von bis zu drei Jahren Haft belegen. Israel befürchtet, ein entsprechendes Gesetz könnte missbraucht werden.

In Israel ist heftige Kritik an einer verschärften polnischen Strafvorschrift zu NS-Todeslagern laut geworden. Die Regelung sieht für die historisch falsche Bezeichnung „polnische Todeslager“ für deutsche Vernichtungslager der Nazis im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs Haftstrafen von bis zu drei Jahren vor. In Israel wird befürchtet, ein solches Gesetz könnte dazu missbraucht werden, die Rolle Polens bei Verbrechen gegen Juden während des Holocaust zu leugnen. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem kritisierte den polnischen Vorstoß.

„Das Gesetz ist unangemessen, ich lehne es strikt ab“, erklärte auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag, dem internationalen Holocaust-Gedenktag. „Man kann die Geschichte nicht ändern, und der Holocaust kann nicht geleugnet werden.“ Er habe die israelische Botschafterin in Polen dazu angewiesen, den Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu treffen und gegen das Gesetz zu protestieren.

Der umstrittenen Strafverschärfung hatte am Freitag das Warschauer Parlament zugestimmt, in dem die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die absolute Mehrheit hat. Mit strengeren Strafen will die Regierung den Ruf des Landes und seiner Bürger im Ausland besser schützen. Durch die oft nachlässige Verwendung des Begriffs „polnische Lager“ für die von den Nazis betriebenen Vernichtungslager habe man Polen immer wieder eine Mitverantwortung für deutsche Verbrechen zugeschrieben, argumentierte Vize-Justizminister Patryk Jaki. Wer den Ausdruck künftig verwendet, riskiert Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft. Kunst und Wissenschaft sind von der Regelung ausgenommen. Das Gesetz soll auch im Ausland gelten. Nach Einschätzung von Juristen wird dies allerdings nur schwer umsetzbar sein.

Israel befürchtet „Vertuschung der historischen Wahrheit“

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem äußerte sich kritisch über das Gesetz, weil es „zur Vertuschung der historischen Wahrheit führen könnte, dass die Deutschen während des Holocaust Unterstützung von der polnischen Bevölkerung erhielten“. Es bestehe allerdings kein Zweifel daran, dass der Begriff „polnische Todeslager“ eine Verfälschung der Geschichte darstelle. „Die Vernichtungslager wurden im besetzten Polen von Nazideutschland errichtet, mit dem Ziel, die Juden im Rahmen der „Endlösung“ zu ermorden“, hieß es in der Stellungnahme von Yad Vashem. Die Einrichtung in Jerusalem warnte jedoch davor, „Äußerungen von Forschern und anderen über eine Mittäterschaft des polnischen Volkes einzuschränken“.

Der israelische Oppositionspolitiker Jair Lapid, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, schrieb auf Twitter: „Ich kritisiere das neue Gesetz in Polen, das versucht, die Teilnahme vieler polnischer Bürger am Holocaust zu leugnen.“ Lapid sprach von einer polnischen Mittäterschaft. Hundertausende von Juden seien auf polnischem Boden ermordet worden, „ohne je einen deutschen Offizier zu treffen“, schrieb Lapid auf Hebräisch. Auf Englisch schrieb er: „Es gab polnische Todeslager, und kein Gesetz kann das je ändern.“

Darauf antwortete die polnische Botschaft in Israel auf Twitter: „Ihre unerträglichen Äußerungen beweisen, wie notwendig Holocaust-Erziehung ist, sogar hier in Israel.“ Darauf reagierte Lapid mit: „Ich bin der Sohn eines Holocaust-Überlebenden. Meine Großmutter wurde in Polen von Polen und Deutschen ermordet. Ich brauche von Ihnen keine Holocaust-Erziehung.“ Lapid forderte eine Entschuldigung.

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin warnte vor einer Verfälschung der Geschichte. „Auch unter den Polen gab es solche, die den Nazis bei ihren Verbrechen geholfen haben“, sagte er. „Jedes Verbrechen, jedes Vergehen muss verurteilt werden.“

An diesem Samstag ist der internationale Holocaust-Gedenktag. Am 27. Januar 1945 hatten sowjetische Truppen das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreit. Allein dort waren etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet worden.