Eurokrise

Was wird aus unserem Geld, Herr Weidmann?

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Jens Weidmann, 48, ist seit Mai 2011 Präsident der Deutschen Bundesbank in Frankfurt.

25 Jahre nach der Erfindung des Euros warnt Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Gespräch mit der F.A.S. vor gefährlichen Nebenwirkungen niedriger Zinsen. Dass dadurch die Ungleichheit schlimmer wird, bestreitet er aber.

Herr Weidmann, vor 25 Jahren wurde mit den Verträgen von Maastricht die Gemeinschaftswährung „Euro“ beschlossen. Das Projekt ist krachend gescheitert?

Nein. Aber wir sind in schwierigen Zeiten, und viele Hoffnungen, die mit der gemeinsamen Währung verbunden waren, haben sich so nicht erfüllt.

Die Ungleichheit zwischen den Euronationen ist größer geworden- die Haushaltsdisziplin der Regierungen verlottert.

Wir haben uns auf eine einheitliche Währung geeinigt ohne eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik. Es ist an den Mitgliedstaaten, diesem Rahmen finanz- und wirtschaftspolitisch Rechnung zu tragen. Das war offensichtlich nicht immer der Fall, und die Krise hat offengelegt, dass es zu erheblichen Fehlentwicklungen kam.

Um die sogenannten Maastricht-Kriterien einer Obergrenze der Verschuldung von nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftskraft schert sich schon lange keiner mehr.

Die viel zu hohen Schuldenstände sind auch eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Irland und Spanien etwa hatten vor der Krise einen komfortablen Sicherheitsabstand zur 60-Prozent-Grenze. Die Bewältigung der Krise braucht Zeit. Aber es stimmt, viele Länder hatten schon vor der Krise ungesunde Staatsfinanzen, und der Reformelan und Konsolidierungswille scheint weiter zu erlahmen. Es genügt eben nicht, Regeln aufzustellen und zu glauben, alle würden sich daran halten.

Was wäre nötig?

Dass die noch bestehenden Probleme in den verschiedenen Politikfeldern weiter konsequent angegangen werden, dass die Staatsfinanzen solider aufgestellt werden und dass die Bindungswirkung der Regeln wieder gestärkt wird. In einer solchen Lage ist auch die Disziplinierung durch den Markt wichtig, also dass am Ende eine unsolide Haushaltspolitik mit höheren Zinsen belegt wird.

Aber auch dieses Disziplinierungsinstrument wurde außer Kraft gesetzt, seit die Notenbanken sich als größte Staatsfinanzierer im Euroraum installiert haben und den Zins unabhängig vom Risiko auf unter null drücken.

Die Marktdisziplinierung wurde nicht außer Kraft gesetzt, aber sicher geschwächt. Die Geldpolitik darf sich nicht in die Verantwortung für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen drängen lassen und die Risikoprämien aus dem Markt nehmen.

Ist die Divergenz in der Wirtschaftskraft der Länder vielleicht sogar Folge der Tatsache, dass man sich nicht an die Haushaltsregeln der Maastrichtverträge gehalten hat?

Das spielt gewiss auch eine Rolle. Die Krise hat aber auch Fehlentwicklungen an anderer Stelle offengelegt, wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, kreditfinanzierte Immobilienblasen oder abgeschottete Arbeitsmärkte.

Sie, Herr Weidmann, mahnen seit langem, dass die Niedrigzinsen der EZB die Haushaltskonsolidierung nicht fördern, sondern verzögern.

In der Tat kann es eine Nebenwirkung der Niedrigzinsen sein, dass die Finanzminister das Risiko aus den hohen Schulden aus den Augen verlieren. Die Einsparungen durch die niedrigen Zinsen wurden wohl zu einem guten Teil auch für höhere Staatsausgaben genutzt.

Würden Sie heute den Euro noch einmal einführen?

Solche hypothetischen Fragen helfen doch nicht, und ich befasse mich auch nicht damit. Unsere Aufgabe ist es, nach vorne zu schauen. Es kommt darauf an, die richtigen Lehren aus dem zu ziehen, was schiefgelaufen ist, und nicht verzagt oder wehmütig nach hinten zu blicken.