Klima

Klimagipfel: Die Formel für die globale Energiewende

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Noch ist der Klimavertrag nicht in trockenen Tüchern, auch wenn manche schon den „historischen Moment“ beschwören – die Staaten müssen noch zustimmen. Aber schon jetzt ist klar: Hier wurde in entscheidenden Passagen ein diplomatisches Meisterwerk abgeliefert.

Geschichte schreiben, das war das gemeinsame Anliegen und die große Hoffnung nach durren Verhandlungsjahren der Klimapolitiker, und der Pariser Klimagipfel Cop21 steht kurz davor. Allerdings ist das 31-seitige Vertragswerk noch längst nicht in trockenen Tuchern. Die Abstimmung beginnt erst am späten Nachmittag. So oder so, die franzosische Verhandlungsfuhrung unter Laurent Fabius hat ihr gluckliches Händchen behalten und auf den Druck der einen oder der anderen Seite mit einigen semantischen Kunststuckchen reagiert. Besondere Formulierungskunst war bei dem lange umstrittenen Langfristziel des Klimavertrags notig.

An einigen Passagen wurde in den vergangenen drei Tagen und Nächten gefeilt, aber diese eine Passage – Artikel 4, Absatz 1 – konnte die entscheidende Formel sein, die den volkerrechtlich verbindlichen Vertrag auf lange Sicht zur Messlatte fur die Klimapolitik macht. Um das langfristige Ziel der 196 Vertragsstaaten zu erreichen, die weltweite Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen und moglichst 1,5 Grad zu schaffe, steht da: „Der Hohepunkt der Treibhausgasemissionen sollte so schnell wie moglich erreicht werden, wobei es fur die Entwicklungsländer länger dauern konnte. Danach muss es in ubereinstimmung mit den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen eine schnelle Verringerung der Emissionen geben, um in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Balance zwischen den menschengemachten Emissionen und den mithilfe von Kohlenstoffspeichern erreichbaren Entzug von Treibhausgasen zu erreichen. Grundlage dafur sind die Gleichbehandlung, eine nachhaltige Entwicklung und die Bemuhungen aller, Armut auszurotten.“

Allein dieser Vertrag zeigt, wie schwierig die Suche nach einem Kompromiss war. Es steht nichts da von einem Ausstieg oder Null-Emissionen, und dennoch ist die Richtung eindeutig und quasi unumkehrbar. Anfangs noch, im ersten Vertragsentwurf, war vor allem bei den stärker ambitionierten Staaten die Hoffnung, dass das von der deutschen Delegation stark favorisierte Langfristziel „Dekarbonisierung“ im Vertrag auftaucht. Das heißt: der Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in den nächsten Jahrzehnten, spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Das war ein klares Signal an die Länder, die von Erdol, Kohle und Gas abhängen und darauf setzen, dass die ära der klimabelastenden Wirtschaftsweise allmählich zu Ende geht. Es wäre der ubergang in die neue Epoche der „low carbon future“, wie UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in seiner Rede am Samstag zur Verabschiedung des Klimavertragsentwurfs nochmals wiederholte – als einziger allerdings, der das vor der abschließenden Abstimmung so deutlich aussprach.

Dekarbonisierung wurde allerdings schon im vorletzten Vertragsentwurf zugunsten einer schwächeren „Emissionsneutralität“ ersetzt, die viele Schlupflocher fur die Anrechnung von naturlichen Kohlenstoffspeichern und vor allem eine Einladung fur Klimamanipulations-Maßnahmen wie Geoengineering – großtechnologische Losungen zur Minderung der Erderwärmung – war. Der „Koalition der Hochambitionierten“, die sich in Paris unter anderem mit Deutschland, der EU, den Vereinigten Staaten, den Inselstaaten und am Ende mehr als hundert Staaten gebildet hatte, war das zu wenig ehrgeizig. Anderen wie Saudi Arabien, China und Indien allerdings auch zu schon zu viel.

Der Kompromiss, nun so schnell wie moglich aus der Fossilwirtschaft auszusteigen, ist ein klares Signal an Investoren. Das glaubt jedenfalls der Klimaberater Hans Joachim Schellnhuber, der sich als einer der ersten uber die neue Losung zufrieden gezeigt hat: „Wenn das hier so verabschiedet wird, bedeutet das, dass die Treibhausgasemissionen innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf netto null gedruckt werden. Das deckt sich mit unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, was getan werden muss, um Klimarisiken wie Wetterextreme und Meeresspiegelanstieg zu begrenzen.“ Moglichst vor 2030 sollten die Emissionen ihren Hohepunkt erreicht haben und nach 2050 rasch auf null sinken, was den starken und raschen Ausbau von regenerativen Energiequellen uberall auf der Welt erforderlich machen durfte. „Die Formulierung im Vertragstext“, so Schellnhuber, „schließt nicht aus, dass auch Geoengineering-Verfahren wie CCS oder der Ausbau von Biotreibstoffen genutzt werden konnen, doch der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Begrenzung der Kohlendioxidemissionen.“