Klima

Weltklima: Die Erde hat keinen Thermostat

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Wäre es ehrlicher gewesen, sich in Paris nicht auf ein Temperaturziel zu versteifen? Zumindest meinen das viele Geowissenschaftler.

Bei der vielumjubelten Pariser Klimakonferenz ging es nicht wie beim Wiener Kongress vor zweihundert Jahren oder bei den Konferenzen von Jalta und Potsdam Mitte des vergangenen Jahrhunderts um ein regionales Thema – wie die Aufteilung Europas nach der Herrschaft Napoleons oder nach dem Dritten Reich. In Paris ging es vielmehr um etwas viel Großeres: Darum, wie wir in Zukunft mit dem Planeten Erde, genauer mit seiner Atmosphäre, umgehen werden. Und dass sich nahezu die gesamte Staatengemeinschaft auf eine fur alle verbindliche Strategie geeinigt hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Schaut man allerdings durch die Brille der Geowissenschaften auf die Prämissen und Zielsetzungen des Vertragswerkes, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Der Grund dafur sind die „2 Grad“ und „1,5 Grad“, die als Zielmarke der Maximalerwärmung Vertragsinhalt geworden sind. Solche Zielwerte scheinen die gesamte Diskussion uber die globale Erwärmung verbluffend einfach auf einen Punkt zu bringen. Halten wir die Erwärmung in diesem Jahrhundert um die 1,5 Grad, haben wir das Ziel erreicht, und der Planet bleibt kuhl. Selbst die Frage, wie wir das schaffen konnen, wurde beim Klimagipfel unter Berufung auf die Veroffentlichungen des IPCC schnell und schlussig beantwortet. Man folge nur jenen umfangreichen Modellrechnungen, welche die Menge an ausgestoßenem Kohlendioxid mit der dadurch verursachten Erwärmung korrellieren, und schon haben wir eine plausible Beziehung von Ursache und Wirkung. Stoßt ein Staat zu viel Kohlendioxid aus, kann man ihn nach diesen Modellrechnungen fur einen gewissen Anteil der Erwärmung uber das 1,5-Grad-Ziel hinaus verantwortlich machen. Gute Staaten lassen sich so von Klimaschurken trennen.

Vereinfachende Sicht

Nicht nur ist diese Sicht fur einen Geowissenschaftler allzu vereinfachend, sie entspricht auch nicht der Natur. Die Erde selbst hat sich nämlich im Rahmen ihrer naturlichen Variabilität im Laufe der Erdgeschichte nie an das 1,5-Grad-Ziel gehalten. Selbst in den vergangenen tausend Jahren gab es mindestens zwei, jeweils mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lange Episoden, in denen die mittleren Temperaturen um mehr als 1,5 Grad von den langjährigen Mittelwerten abwichen. Während des „Mittelalterlichen Klimaoptimums“ war es in Mitteleuropa und auf den Britschen Inseln erheblich wärmer als zuvor und danach. In der „Kleinen Eiszeit“ im 17. Jahrhundert war es dagegen weitaus kälter. Welche naturlichen Vorgänge hinter diesen Klimaschwankungen standen, ist wissenschaftlich noch nicht erwiesen, klar ist aber eins: Menschliche Aktivitäten, vor allem die Verbrennung fossilen Kohlenstoffs, konnen nicht dafur verantwortlich gewesen sein.

Eine andere naturliche Quelle substantieller änderungen der globalen Mitteltemperatur sind Vulkanausbruche. Sobald große Mengen Schwefeldioxid in die hoheren Schichten der Atmosphäre gelangen, blockieren die daraus entstehenden Aerosole das Sonnenlicht und kuhlen den Planeten. Allein der Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahre 1991 sorgte uber einige Jahre fur eine Abkuhlung der Nordhallbkugel von bis zu 0,6 Grad. Dabei war diese Eruption nicht nicht einmal richtig stark. Welche Auswirkungen hätten weit heftigere Ausbruche wie die des Novarupta (Alaska) im Jahre 1912 oder die des Tambora (Indonesien) im Jahre 1815 oder gar Megaeruptionen wie die des Laacher Sees, der Yellowstone Caldera oder des Crater Lake im amerikanischen Bundesstaat Oregon?

Aus der Pariser Akte wird nicht deutlich, wie man die naturlichen Schwankungen der Erdtemperatur mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbaren will. Wie will man unterscheiden, welcher Teil einer Erwärmung naturliche Ursachen hat und was auf anthropogenen Emissionen beruht? Gewiss wird es dann auch wieder Hochrechnungen geben. Das sind aber lediglich Modelle, welche die Wirklichkeit nur bedingt abbilden. Viel ehrlicher wäre es gewesen, sich nicht auf ein Temperaturziel, sondern auf die Verringerung des Kohlendioxideintrages zu konzentrieren. Temperaturmarken taugen nicht als Erfolgsskala. Die Erde, die allen am Herzen liegt, konnte der Weltgemeinschaft mit ihrer naturlichen Sprunghaftigkeit einen dicken Strich durch die Rechnung machen.