Deutschen Start-ups muss bei der Finanzierung geholfen werden, heißt es stets aus der Politik. Jetzt allerdings plant das Finanzministerium höhere Steuern für ihre Geldgeber.
Es ist noch gar nicht lange her, da gab es fü-r die Grü-nderbranche noch Grund zum Jubeln: Vor wenigen Tagen erst stü-rmte Berlin im Ranking des Datenanalysten Compass aus San Francisco von Platz 15 auf Platz 9 der besten Start-up-Stä-dte der Welt vor. Nirgendwo sind der Erhebung zufolge die Wagniskapital-Investitionen so stark gewachsen – allein von 2013 auf 2014 um das Zwö-lffache.
Nun allerdings fü-rchtet die Branche, dass die Investitionen in junge deutsche Unternehmen bald wieder spü-rbar nachlassen werden. Der Grund ist ein Diskussionsentwurf aus dem Bundesfinanzministerium, der derzeit fü-r Aufregung sorgt: bei Investoren, aber auch in der Unionsfraktion.
Worum geht es? Wenn ein Investor Streubesitzanteile an einer Kapitalgesellschaft verkauft und dabei einen Gewinn erzielt, soll er diesen kü-nftig versteuern, auch wenn er das Geld sofort wieder reinvestiert. Bislang sind solche Verä-uß-erungsgewinne im Fall einer direkten Reinvestition fast vollstä-ndig von der Steuer befreit. Es handelt sich im Grunde um eine Stundung: Erst wenn das Geld nicht mehr reinvestiert wird, wird die Steuer fä-llig. Gleichzeitig schlä-gt das Finanzministerium eine Steuerermä-ß-igung von 30 Prozent fü-r Investoren vor. Die Neuregelung gilt fü-r alle Kapitalgesellenschaften, nicht nur fü-r Start-ups. Start-up-Investoren wä-ren aber hä-ufig davon betroffen.
Business Angels sind wichtige Finanzierungsquelle
Von der bisherigen Regelung profitierten insbesondere sogenannte Business Angels: private Investoren, die jungen Unternehmen Kapital, Wissen und Kontakte zur Verfü-gung stellen. Im „Deutschen Start-up Monitor 2014“ gaben ein Drittel der jungen Unternehmen an, Geld von Business Angels erhalten zu haben. Sie sind damit neben ö-ffentlichen Fö-rdergeldern und dem Eigenkapital, das Grü-nder selbst mitbringen, eine wichtige Finanzierungsquelle.
Gegenwind zu den Vorschlä-gen aus dem Finanzministerium kommt nun zum einen aus Wolfgang Schä-ubles eigener Fraktion. So sagten die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion Ralph Brinkhaus und Michael Fuchs, eine Steuerpflicht auf Verä-uß-erungsgewinne wä-re „kein gutes Signal an die Wagniskapitalbranche und den Investitionsstandort Deutschland.“ Die Bemü-hungen der Koalition, Wagniskapital zu stä-rken, wü-rden damit erschwert. Der Vorschlag, eine Steuermä-ß-igung fü-r Wagniskapital vorzusehen, fü-hre nur zu einer teilweisen Kompensation und verursache zusä-tzliche Bü-rokratie.
Und Thomas Jarzombek, Sprecher der Unionsfraktion fü-r Digitale Agenda, sagte FAZ.NET, man kö-nne stolz sein, dass Berlin im Start-up-Ranking gerade so weit vorgerü-ckt sei. „Das sollten wir jetzt nicht wieder zunichte machen.“ Steuererhö-hungen seien im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, so Jarzombek. Sollte der Entwurf durchgehen, brauche man „ü-ber ein Venture-Capital-Gesetz nicht mehr zu reden. Das kann keine Kompensation darstellen.“
„Im Ausland geht man anders vor“
Die groß-e Koalition hatte ursprü-nglich angekü-ndigt, die Rahmenbedingungen fü-r Wagniskapital in Deutschland international wettbewerbsfä-hig zu gestalten. Seitdem sei jedoch wenig passiert, bemä-ngelt etwa Niklas Veltkamp vom Verband Bitkom: „Bislang hat die Regierung nur einen Bruchteil dessen umgesetzt, was sie Start-ups versprochen hat.“ Dem Vernehmen nach kö-nnte Schä-uble nun bei der Kabinettsklausur im September auf Schloss Meseberg Eckpunkte fü-r einen Gesetzentwurf vorstellen.
Nun fü-rchtet die Branche jedoch erst einmal eine Verschlechterung der Bedingungen. Philipp Hartmann von der Investmentgesellschaft Rheingau Founders, die unter anderen die Essensbestellplattform Lieferando mit aufgebaut hat, sieht Auswirkungen der Vorschlä-ge aus dem Finanzministerium auch fü-r die groß-en Wagniskapitalgeber in Deutschland. „Dass man an einem Unternehmen einen Anteil hat, der grö-ß-er ist als ein Streubesitz von unter zehn Prozent, ist eher die Ausnahme“, sagt er. In einer typischen Finanzierungsrunde durch Business Angels gebe man etwa zehn bis 20 Prozent der Anteile ab – an fü-nf bis sechs Investoren. Jeder einzelne wü-rde damit bei einem Verkauf automatisch unter die Steuerpflicht fallen.
„Dieser Entwurf verschlechtert das Gesamtbild, das Deutschland als Grü-ndernation abgibt. Im Ausland geht man anders vor“, sagt daher auch Christian Schatz vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. „Wir brauchen Maß-nahmen, die das Geld von Investoren hier halten oder anlocken und es nicht vertreiben.“ Und der Bundesverband Deutsche Startups befü-rchtet, dass mit dem Wegfall von privatem Wagniskapital auch ö-ffentliche Mittel etwa der KfW oder der IBB Berlin gefä-hrdet sind: Denn diese werden in der Regel nach dem Ko-Finanzierungsprinzip vergeben: Die Gewä-hrung ist an die Hö-he privater Investitionen geknü-pft.