Ausland

Von der Leyen im Kosovo: Ungefordert, aber erfolgreich

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Verteidigungsministerin von der Leyen besucht die Bundeswehr im Kosovo und nennt die Befriedung beispielhaft. Auch für die Ukraine. Anderen Vergleichen tritt sie vehement entgegen.

Der schönste Satz der Ministerreise fällt im Norden des Kosovo, dort, wo im Camp Novo Selo eine deutsche Einsatzkompanie stationiert ist. Die Einheit steht am Ende ihrer vier Stationierungsmonate, die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist mit ihrem Tross am letzten Einsatztag der Soldaten vor ihrer Ablösung erschienen, und der Kompaniechef erklärt ihr, „dass wir hier in unserer ganzen Zeit nie gefordert waren als taktische Reserve, das zeigt doch, dass es vorangeht.“ Die Sicherheit im Kosovo garantiert die internationale Nato-Truppe Kfor mittlerweile erst in dritter Linie: nach den Sicherheitskräften des Kosovo (zu denen außer der Polizei auch eine 2500 Mann starke Armee gehört), und nach der europäischen Polizei-Einsatztruppe „Eulex“.

Eigentlich hatte von der Leyens Visite bei dem ältesten Einsatzverband der Bundeswehr schon vor zwei Wochen stattfinden sollen – da kam ihr die jüngste europäische Krise dazwischen- sie blieb wegen der Entführung der deutschen Militärbeobachter in der östlichen Ukraine lieber in Berlin. Die Ministerin erwähnt das in ihrer kurzen Ansprache vor den Bundeswehrsoldaten im deutschen Hauptquartier in Prizren und wird dann ganz grundsätzlich beim Vergleich zwischen dem kleinen Kosovo und der großen Ukraine. Sie sagt den Soldaten: „Ich kann Sie als Beispiel dafür nehmen, dass und wie es gelingen kann, in einem Land, wo die Bevölkerung tief gespalten war, einen sicheren Weg zu einer inklusiven Gesellschaft zu bauen.“

Das soll erstens die Soldaten ermuntern, von denen viele im Lauf der 15 Jahre währenden Kfor-Mission schon zum fünften oder sechsten Mal im Kosovo eingesetzt sind- es soll zweitens aber auch jedem, der es hören kann, ein wenig politischen Optimismus vermitteln, nicht nur für die Ukraine, oder gar für Afghanistan, oder die Krisen in Afrika, für die vielen Missionen, in denen Bundeswehrsoldaten mittlerweile unterwegs sind, sondern auch für das Kosovo selbst. Es sei „wichtig, dass wir in diesem Land unbeirrt Flagge zeigen“, sagt von der Leyen, „mit Geduld, aber auch mit Zielstrebigkeit“. Denn das Ziel der internationalen Mission, ein befriedetes, europäisch eingebundenes Kosovo, sei klar: „Wir wissen, wohin wir wollen.“ Allerdings nennt von der Leyen auch – wieder im Seitenblick auf die Ukraine – eine Grundvoraussetzung für den Erfolg in einem gespaltenen Land: „wenn die äußeren Partner zusammen stehen“.

Anderen Vergleichen zwischen der Balkankrise und dem Konflikt um die Ukraine tritt sie vehement entgegen: den einebnenden Gleichsetzungen, welche in Deutschland die Linkspartei und andere ziehen, die den Vorhaltungen, die russische Einverleibung der Krim sei völkerrechtswidrig gewesen, oft entgegenhalten, das habe für die militärische Intervention der Nato zugunsten des Kosovo auch gegolten. Ob etwa auf der Krim auch ein Völkermord gedroht habe, fragt von der Leyen mit lauter Stimme. Wo denn dort der Aufruf der Völkergemeinschaft gewesen sei, das Morden zu stoppen? Die Ausgangslage zwischen Russland und der Ukraine sei eine völlig andere.

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Eine zweite Botschaft, auf der es der deutschen Ministerin unabhängig von aktuellen Vergleichen bei ihrem Besuch ankommt, betrifft die Dauer des deutschen Engagements: „Kraftraubend“ und immer wieder „geduldig“ lauten die Adjektive, die sie verwendet. Nach der Zukunft gefragt, sagt sie unbestimmt, das „Ausgleiten aus einer Mission muss mit Bedacht geschehen“, um „nachhaltig zu sichern“, was mit so viel Einsatz aufgebaut worden sei. Das deutsche Kontingent in der Kfor-Truppe beträgt noch immer 800 Soldaten – gerade hat das Kabinett in Berlin wieder eine Verlängerung beschlossen, der Bundestag wird im Juni zustimmen wollen. Die Deutschen stellen damit noch vor den amerikanischen Truppen den größten Anteil der internationalen, aus 30 Nationen bestehenden Kfor-Sicherungsmission.

Es genügt ein Blick in das deutsche Feldlager, dass sich am Hang des Cviljen, des Hausberges von Prizren, einen Kilometer weit dehnt, um zu erahnen, dass dieser Einsatz schon lange dauert. Statt Zelten oder Container-Unterkünften stehen da zweistöckige Feldhäuser, die blühenden Kastanien auf den Verkehrsinseln der Lagerstraße sind längst aus dem Setzlings-Alter herausgewachsen. Und dass der Einsatz noch lange dauern wird (auch wenn der Bundestag, wie jetzt wieder, jährlich neu auf seiner Zustimmung besteht, ihn zu verlängern), verrät ein Blick in die Truppenküche. Sie hat die Dimension einer modernen Turnhalle, der Beton glänzt noch frisch, die hellen Holztüren zum Küchentrakt sind ausgerüstet mit Infrarot-Sensoren und schnurren automatisch zur Seite, wenn einer der vielen einheimischen Hilfsköche mit beladenen Tabletts auf sie zu tritt.

Die Visite im Kosovo ist von der Leyens fünfte Reise in ein Einsatzland der Bundeswehr- zuvor war sie in Afghanistan, Mali, der Türkei und Djibouti (zur Marinemission Atalanta). Und noch immer nutzt sie jede Gelegenheit, um die Truppe mit sich vertraut zu machen. In der Montagehalle, in der deutsche Mechaniker die Soldaten der Kosovo-Sicherheitskräfte in der Reparatur von Geländewagen und LKW anlernen, wendet sich die Ministerin zuerst an die einheimische Dolmetscherin: Was heißt Guten Tag auf Albanisch? Dann dreht sie sich zu den Kosovo-Albanern, wiederholt: „Mir Dita“, und lässt sich erklären, wie der Austausch einer Trommelbremse am Hinterrad eines Siebzehntonners funktioniert.

Beliebt sind auch Gruppenfotos. In der modernen Kantinenhalle stellt sie sich mindestens ein Dutzend Mal in die Mitte immer wieder wechselnder Soldatengruppen. Dann wird ihr berichtet, die Frau Oberfeldwebel Olga Krämer habe heute Geburtstag- der Kamerad, der es verrät, hat sogar eine kleine Torte mit vier brennenden Lichtern zur Hand. Die Ministerin ergreift sie und bugsiert sie mit beschirmender Hand hinauf zum Rednerpult. Von dort fordert sie dann das gesamte versammelte deutsche Einsatzkontingent zum Mitsingen auf: „Happy Birthday, dear Olga“.