Natur

Lärm im Meer: Die Gesänge der Wale gehen im Getöse unter

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Wale im Südpolarmeer können sich kaum noch verständigen, belegteine neue Studie. Die extrem lauten Geräusche technischer Geräte behindern Fortpflanzung und Futtersuche.

Still war es noch nie in den Weltmeeren. Auf ihre Oberfläche prasselt Regen, Eisberge brechen unter gewaltigem Krachen in der Tiefe entzwei, und Tiere rufen einander. Doch an diese üblichen Hintergrundgeräusche konnten sich Meeresbewohner in den Jahrmillionen ihrer Evolution anpassen. Andere Lärmquellen hingegen sind erst im vergangenen Jahrhundert hinzugekommen. Unterwasserlärm verursachen seit wenigen Jahrzehnten auch die Schiffsschrauben der Tanker, die Rammungen, wenn eine Offshore-Windkraftplattform versenkt wird – und Airguns, die an Schiffen befestigt sind und verwendet werden, um den Untergrund nach Öl- und Gasvorkommen abzusuchen. Letztere können tausendmal so laut sein wie ein Schiff, auch wenn das Signal, das sie hervorbringen, nur etwa fünfzig Millisekunden dauert.

Für eine neue Studie, die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt wurde, haben Wissenschaftler nun in einem Computerversuch modelliert, wie sich das extrem laute, explosionsartige Knallen der Airguns auf die Kommunikationsmöglichkeiten von Meeressäugern auswirken. Exemplarisch ausgewählt wurden die Arten Blauwal, Finnwal und Wedellrobbe, die im Südpolarmeer südlich des 60. Breitengrades im Bereich der Antarktis vorkommen. „Die Resultate zeigen, dass die Kommunikationsdistanzen für alle drei berücksichtigten Arten in Entfernungen zwischen fünfhundert bis zweitausend Kilometer reduziert werden“, heißt es nüchtern in der Bilanz der Studie, an der unter anderem das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in Büsum, die amerikanische Cornell University und die Universität Aarhus in Dänemark beteiligt waren. Im Klartext bedeutet das, dass die Tiere auch noch in großer Entfernung von der Airgun bei der Partnersuche behindert werden, dass die Kommunikation zwischen Mutter und Jungtier, die Beutesuche und die Flucht vor Angreifern gestört werden.

Verletztes Gehör

Die Studie läutet einen fundamentalen Wandel in der tierschützerischen Beurteilung von Lärm in den Weltmeeren ein. „Bislang haben wir uns Sorgen gemacht, dass Airguns das Gehör der Tiere verletzen könnten“, sagt die Biologin Mirjam Müller vom Umweltbundesamt. Das Bundesamt für Naturschutz hatte schon zuvor Studien mit in Gefangenschaft lebenden Schweinswalen in Auftrag gegeben, die bewusst mit einer Airgun beschallt wurden. Versuchsreihen in den Jahren 2007 bis 2009 hatten ergeben, dass die Tiere tatsächlich eine zeitweise Hörschwellenverschiebung zeigten, nachdem sie einem solchen Schallsignal ausgesetzt worden waren. „Man kann sich das so vorstellen wie nach einem Abend in der Disco, wo eine sehr laute Band gespielt hat“, erklärt Müller. „Am nächsten Tag hört man alles wie durch Watte.“ Auch wenn die Hörschwellenverschiebung in dem Versuch mit Walen nur temporär vorhanden war, so deutet sie doch auf eine ernsthafte Verletzung hin- Wissenschaftler vermuten auch dauerhafte Schäden auf neuronaler Ebene. Und dazu kommt: Im Versuch mit dem Schweinswal konnte ein einziger Airgun-Impuls eine solche Hörschwellenverschiebung verursachen. Unter natürlichen Umgebungen im Ozean sind die Tiere aber über Tage und Wochen solchen Signalen ausgesetzt.