Familie

Was bleibt von mir als Mann?

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Trotz Gleichberechtigung und partnerschaftlicher Beziehung: Wenn SIE mehr verdient als ER, kann das eine Liebe ruinieren.

Besonders unwohl fühlt sich Thomas Fichtner, wenn er mit seiner Frau shoppen geht und sie an der Kasse ihre Karte zückt, um seine und ihre Sachen zu bezahlen. „Ich will dann unbedingt selbst zahlen und kann es nicht“, sagt er. In diesen Momenten nagt etwas an ihm. Er fühlt sich dann nicht als Mann und Beschützer wie die anderen Männer, die er kennt. „Es ist viel Arbeit, da stabil daneben zu stehen und trotzdem innerlich nicht kleiner zu werden.“

Seit zehn Jahren sind die Fichtners verheiratet. Andrea Fichtner, 45, lange rote Haare, enge schwarze Kleidung und viel Silberschmuck, verdient doppelt so viel wie ihr 48 Jahre alter Mann, der in Hemd und Jeans sportlich und gebräunt daherkommt. Sie ist Unternehmerin, hat vierzig Angestellte in einer württembergischen Kleinstadt. Er ist Lehrer, kümmert sich nachmittags um die beiden Töchter und erledigt den Großteil der Hausarbeit. „Ein Rollentausch“, sagt er. „Es ist nicht immer leicht.“

Es gab eine Phase in ihrer Ehe, da war es richtig schwer. Da ist er zusammengebrochen und musste psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Wieder und wieder fragte er sich: „Alle anderen Männer kriegen es doch auch hin, der Haupternährer ihrer Familie zu sein – warum kann ich das nicht?“ Die Therapeutin machte ihm klar, dass er nicht finanziell von seiner Frau abhängig ist, sondern die Familie auch von seinem Lehrergehalt ernähren könnte. Und dass er ruhig auch mal was von seiner Frau annehmen kann. Thomas Fichtner sagt jetzt manchmal zu seiner Andrea: „Das musst du bezahlen.“ Er hat gelernt, zu akzeptieren, dass er nicht so viel ausgeben kann wie sie. Und hinzunehmen, dass sie einen Porsche fährt und er einen ihrer Firmenwagen, einen Ford Fiesta oder einen kleinen Opel. „Sie spielt in einer anderen Klasse“, sagt er.

Keine freiwillige Entscheidung

Dass ein Mann weniger verdient als seine Frau, ist für die Mehrzahl der Menschen schwer zu akzeptieren. Nur 43 Prozent der Frauen und 37 Prozent der Männer können sich das vorstellen, so das Fazit der Vorwerk-Familienstudie 2013. Und doch kommt es gar nicht so selten vor. In jeder vierten Familie ist die Frau inzwischen die Hauptverdienerin, Tendenz steigend. Das bedeutet: Etwa 2,5 Millionen Haushalte leben ein ähnliches Modell wie die Fichtners, die Mehrzahl von ihnen allerdings auf einem vollkommen anderen Einkommensniveau.

Mehr als die Hälfte dieser Familien habe monatlich weniger als 2275 Euro netto zur Verfügung, so Ingrid Müller-Münch, Autorin des Buches „Sprengsatz unterm Küchentisch: Wenn die Frau das Geld verdient“. Die meisten Familienernährerinnen seien Frauen, die nicht überdurchschnittlich gebildet, sondern unfreiwillig zur Haupternährerin geworden seien, sagt Ute Klammer, Professorin für Sozialpolitik an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Männer seien arbeitslos, erwerbsunfähig oder prekär selbständig. „Eine freiwillige Entscheidung ist das fast nie. Männer und Frauen haben immer noch andere Wünsche im Kopf.“