Wirtschaft

Amerika kritisiert deutsche Wirtschaftspolitik scharf

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In scharfen Worten werfen die Vereinigten Staaten Deutschland vor, mit einer „blutarmen Binnennachfrage“ und dem Exporterfolg deflationäre Verzerrungen im Euroraum und der Weltwirtschaft hervorzurufen.

In ungewöhnlich deutlichen Worten haben die Vereinigten Staaten Deutschland vorgeworfen, zu wenig für die Stärkung der Binnennachfrage zu tun und die wirtschaftliche Anpassung und Erholung im Euroraum und in der Welt zu behindern. Das Finanzministerium in Washington kritisiert in seinem halbjährlichen Währungsbericht ein „blutarmes Wachstum der Binnennachfrage“ in Deutschland und eine „Abhängigkeit vom Export“. Deutschland behindere eine Anpassung im Euroraum in einer Zeit, in der viele andere Länder unter Druck stünden, ihre Nachfrage und Einfuhr zu drosseln. „Das Nettoergebnis ist eine deflationäre Verzerrung im Euroraum wie auch in der Weltwirtschaft“, heißt es in dem Bericht.

Im Kern läuft die scharfe Kritik der Amerikaner darauf heraus, dass Deutschland mit seinen steten Exportüberschüssen die Anpassungslast in der Eurokrise auf die Krisenländer in der Peripherie abgeschoben habe. Das habe dort die Arbeitslosigkeit gerade unter Jugendlichen erhöht, heißt es in dem Bericht. Zugleich setze der Euroraum insgesamt in seiner Erholung auf Nachfrage aus dem Ausland, anstatt die Defizite in der eigenen Binnennachfrage anzugehen.

Als Beleg verweist das amerikanische Finanzministerium darauf, dass Deutschland im ersten Halbjahr seinen Leistungsbilanzüberschuss auf mehr als 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesteigert habe, während zugleich Länder wie Irland, Italien, Portugal und Spanien nun alle Leistungsbilanzüberschüsse erzielten. Damit weise auch die Leistungsbilanz des Euroraums, die von 2009 bis 2011 nahezu ausgeglichen war, nun einen Überschuss von 2,3 Prozent des BIP aus.

Deutschland in einer Reihe mit China, Japan und Südkorea

Deutschland steht damit in der Kritik der Amerikaner in einer Reihe mit China, Japan und Südkorea. In der Kurzzusammenfassung des Berichts greift das Finanzministerium Deutschland sogar als erstes Land auf. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, im Kern der Überschuss von Export über Import, sei im vergangenen Jahr größer als der Chinas gewesen, bemerkt das Ministerium mit Missfallen.

Nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) erreichte der deutsche Leistungsbilanzüberschuss 239 Milliarden Dollar gegenüber 193 Milliarden Dollar für China. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt hatte Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss im vergangenen Jahr von 6,9 Prozent des BIP gegenüber 2,4 Prozent in China.

Die Vereinigten Staaten kritisieren in dem Bericht neben Deutschland wie immer China für eine zu langsame Aufwertung des Renminbi, der deutlich unterbewertet sei. China habe entgegen internationaler Verpflichtungen wieder Interventionen in großem Stil aufgenommen. An Japan richtet das Finanzministerium die Mahnung, die Geldpolitik – wie zugesagt – nicht als Mittel der Wechselkurspolitik einzusetzen. Washington will das genau beobachten. Südkorea wird ermuntert, die Interventionen am Devisenmarkt auf außergewöhnliche Fälle zu beschränken.

Größeres Selbstbewusstsein in Washington

Mit der deutlichen Wortwahl in dem „Bericht zur Internationalen Wirtschafts- und Wechselkurspolitik“ verlassen die Vereinigten Staaten die in den vergangenen Jahren gepflegte Linie, Deutschland öffentlich nicht zu sehr anzuprangern. Die Kritik an der geringen deutschen Binnennachfrage war oft eher verhalten. So gaben Vertreter des Finanzministeriums auf Nachfrage von Journalisten nie eine klare Antwort, was Deutschland genau zur Förderung der Binnennachfrage denn tun solle. Vereinzelt gab es Hinweise, dass die Amerikaner höhere Lohnsteigerungen in Deutschland wünschten. Hinter verschlossener Tür soll es bei internationalen Treffen etwa im Rahmen der G-20-Gruppe nach Angaben von Teilnehmern aber teils hart zur Sache gegangen sein.

Neben Amerika hatte auch der IWF Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder bedrängt, mehr zur Stärkung der Binnennachfrage zu tun, auch um die Euro-Krise zu lindern. Die Forderungen des Fonds aber klangen zuletzt weitaus dünner, nachdem eine eigene Untersuchung schon im vergangenen Jahr gezeigt hatte, dass die Krisenländer im Süden Europas von einer verstärkten deutschen Importnachfrage kaum profitieren würden.

Die Verschärfung des amerikanischen Tonfalls kommt zu einer Zeit, in der die Bundesregierung in Washington auf Aufklärung über und Unterlassung von amerikanischen Spionageaktivitäten dringt. Die Mahnung an Deutschland spiegelt die Sorge in Washington über die Abschwächung in der Weltwirtschaft wider, aber auch erstarktes amerikanisches Selbstbewusstsein. Während der Euroraum nur mühsam aus der Rezession findet, schicken die Amerikaner sich an, im kommenden Jahr nach IWF-Prognose mit 2,9 Prozent wieder die Wachstumsführerschaft im Kreis der Siebenergruppe der großen Industriestaaten zu übernehmen.

Amerika halbiert sein Haushaltsdefizit

Im ständigen wirtschaftspolitischen Zwist mit Deutschland über Defizitrückführung versus keynesianischer Konjunkturstimuli verweisen die Amerikaner zugleich stolz darauf, dass sie ihr Haushaltsdefizit seit 2009 mehr als halbiert haben. Damit haben sie die 2010 in Toronto im Kreis der G20 getroffene Absprache eingehalten – entgegen ständiger Zweifel und Kritik aus dem Umfeld der deutschen Bundesregierung.

In der am Mittwoch veröffentlichten Abrechnung des im September geendeten Haushaltsjahres 2012/13 lag die Neuverschuldung des Bundes bei 4,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, gegenüber 10,1 Prozent im Jahr 2009. Selbst unter Einbezug der Verschuldung der Bundesstaaten und Kommunen habe die Amerikaner das Defizit mehr als halbiert. Der IWF nennt Defizitquoten von 12,9 Prozent des BIP für 2009 und von 5,8 Prozent für 2013.