
Die Amerikanerin Diana Nyad schwimmt mit 64 Jahren von Kuba nach Florida. Sie ist nicht die Erste, der das gelingt, aber die Erste, die auf einen Käfig gegen Haie verzichtet.
Wenige Stunden vor Key West keimte dann doch wieder Angst auf. „Dianas Zunge und Lippen sind geschwollen“, meldete das Team, das Diana Nyad auch bei dem fünften Versuch, die Meerenge zwischen Kuba und Florida zu durchqueren, mit Beibooten begleitete. „Die Ärzte machen sich Sorgen um ihre Atemwege.“
Nach mehr als 46 Stunden im kalten Wasser der von Haien und giftigen Quallen bevölkerten Florida Straits wirkte die amerikanische Ausdauerschwimmerin am Montagmorgen fast orientierungslos. Aus Angst, durch langsamere Bewegungen noch stärker auszukühlen, hatte die Vierundsechzigjährige stundenlang auf Flüssigkeit und Nahrung verzichtet. Wie das Begleitteam mit feinem Spott notierte, hatten die Strapazen zumindest Nyads Dickkopf unversehrt gelassen. Den Rat ihrer Lebenspartnerin Bonnie Stoll, die letzten zehn Kilometer wegen kaum erträglicher Schmerzen mit Brustschwimmtechnik zu bewältigen, beantwortete sie mit dem Ausruf „Will ich nicht!“ und ließ einige kraftvolle Kraulschläge folgen.
Knapp sieben Stunden später taumelte Diana Nyad an den Smathers Beach auf Key West. Als Erste hatte sie die etwa 170 Kilometer breite Meerenge ohne Hai-Käfig und Flossen bewältigt. Die Tortur der vorangegangenen zwei Tage und zwei Nächte stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Haut war von Sonne gerötet und von Salzwasser aufgedunsen.
Obama gratuliert
Dennoch hatte sie gleich drei Ratschläge parat. „Der erste lautet, dass wir niemals aufgeben sollten. Der zweite ist, dass man nie zu alt ist, um seine Träume zu verwirklichen. Und drittens: Es sieht aus wie ein Sport für Einzelgänger, aber man braucht ein Team.“ So flüsterte Diana Nyad kaum verständlich mit geschwollenen Lippen. Eine Maske, die ihr Gesicht vor Quallenstichen schützen sollte, hatte die Sportlerin schon in der ersten Nacht dem Ozean überlassen. Der Silikonschutz hatte nicht nur das Atmen erschwert, sondern sich schmerzhaft in Mund und Zunge gebohrt.
Als die Schwimmerin daher vorsorglich mit einem Notarztwagen vom Smathers Beach zu Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht wurde, twitterte der amerikanische Präsident Barack Obama schon los: „Glückwunsch an Diana Nyad. Gebt nie eure Träume auf!“ Derek Covington, der Arzt der Schwimmerin, teilte später mit, sie werde sich voraussichtlich in einigen Tagen wieder von Dehydrierung, Erschöpfung und Sonnenbrand erholt haben. Nach vier gescheiterten Versuchen, die Florida Straits ohne Hai-Käfig zu durchschwimmen, hatten die gebürtige New Yorkerin und ihre 25 Helfer bei dem letzten Kraftakt nichts dem Zufall überlassen. Sie entwarfen einen Schutzanzug mit langen Ärmeln und Hosenbeinen, um nachts Würfelquallen abzuhalten. Ein eigens entwickelter „Stichstopper“ in Gelform sollte derweil die Gesichtshaut vor dem Gift der Tiere bewahren.
Überlebenskampf gegen das Meer
Schon als Schülerin war Nyad im Schwimmunterricht an der Pine Crest School in Fort Lauderdale durch kräftiges Rückenschwimmen und zähes Trainieren aufgefallen. Nach einer Herzerkrankung musste sie sich aber von dem Wunsch verabschieden, im Jahr 1968 an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Der renommierte Trainer Buck Dawson schlug der Studentin dennoch vor, sich im Marathon-Schwimmen zu versuchen. Nach wenigen Monaten stellte Nyad im Juli 1970 einen Weltrekord auf, als sie in Lake Ontario 16 Kilometer in vier Stunden und 22 Minuten zurücklegte. An ihrem 30. Geburtstag gelang ihr ein weiterer Weltrekord, als sie 164 Kilometer ohne Hai-Käfig von der Bahamas-Insel North Bimini nach Juno Beach in Florida schwamm.
Nach dem ersten Vorstoß in den Florida Straits im Jahr 1978 hatte Diana Nyad im Sommer 2011 nach Stichen der giftigen „box jellyfish“ gleich zwei Rekordversuche abgebrochen. Auch der vierte Versuch war im August 2012 gescheitert, als die ehemalige Sportkommentatorin zwei Tage nach dem Start in Havanna während eines Sturms mit den Quallen-Tentakeln in Berührung kam. Obwohl sie ankündigte, sie werde keinen Versuch mehr wagen, startete sie am Samstag um kurz vor neun Uhr zum fünften Mal im Hemingway-Hafen in Havanna mit einem Tross von Hai-Tauchern, Trainern und Ärzten. Nach der Begrüßung durch Fans und Kamerateams in Key West rief sie: „Es war mein Lebenstraum!“ In ihrer Autobiographie „Other Shores“ hatte sie das Schwimmen als Überlebenskampf gegen das Meer beschrieben: „Um ihn zu gewinnen, muss man das andere Ufer berühren.“ Nach 35 Jahren und vielen Versuchen hat Diana Nyad nun Oberwasser.
Ohne Haikäfig von Kuba nach Florida
