Finanzen

Die Rechenfehler der Deutschen Bank

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Ein Vermögensverwalter aus Karlsruhe fühlt sich als Opfer falscher Berechnungen der Deutschen Bank. Nun wittert er Morgenluft. Denn vor einem Londoner Gericht steht die Bank wegen ähnlicher Vorwürfe unter Beschuss.

Stellen Sie sich vor, Ihre Bank räumt Rechenfehler ein, die empfindliche Konsequenzen für Ihr Vermögen haben. In dieser Rolle sieht sich der in Karlsruhe ansässige Vermögensverwalter Bardusch &amp- Gehrsitz (B&amp-G) gegenüber der Deutschen Bank. Vor dem Landgericht Karlsruhe wird um rund 6 Millionen Euro gestritten. Für die Deutsche Bank ist das angesichts von 3 Milliarden Euro, die sie für Rechtsrisiken – unter anderem wegen Verfahren zu angeblichen Manipulationen von Interbankenzinsen (Libor) oder komplexen amerikanischen Hypothekenanleihen – zurückgestellt hat, nicht allzu viel.

Der sich mittlerweile in der Insolvenz befindliche Vermögensverwalter, insbesondere sein Gesellschafter und Mitgründer Helmut Bardusch, fühlt sich als Opfer eines Systemfehlers der Deutschen Bank, der zu falschen Sicherheitsanforderungen geführt hat. Ein Vorwurf, den die Bank zurückweist. Sie spricht vielmehr von einem Einzelfall. In einem Schreiben an die Finanzaufsicht Bafin erklärte sie, dass B&amp-G über die Höhe der vereinbarten Sicherheiten zutreffend informiert worden sei. Allerdings räumt die Bank darin auch eine nicht erfolgte Addition ein.

Außerdem hat ein Mitarbeiter in einer Vernehmung vor dem Landgericht Karlsruhe im November 2011 von einem „Computerprogrammierfehler“ gesprochen. Rückenwind erhofft sich Bardusch nun von einem Prozess in London. Dort hat der norwegische Großinvestor Alexander Vik die Deutsche Bank auf 8 Milliarden Dollar verklagt. Hier hat die Bank zur Prozesseröffnung in diesem Frühjahr ebenfalls nicht zutreffende Berechnungen eingeräumt. Ein Sprecher betont aber, dass es sich um zwei getrennte, nicht miteinander zusammenhängende Einzelfälle handele. Sie gingen auf das Jahr 2008 und früher zurück und bezögen sich auf verschiedene Produkte, Anlageklassen, Standorte und Kunden.

Die Wetten gingen nicht auf

Doch zurück nach Karlsruhe: Der Streit begann im November 2008, als die Finanzmärkte nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers unter Schock standen. Einige B&amp-G-Kunden hatten mit Aktienoptionen an der Londoner Terminbörse Liffe auf die Aktie des australischen Minenbetreibers Rio Tinto gesetzt. Die Wetten gingen nach dem Lehman-Schock nicht auf. Vielmehr kam es zu einer entgegengesetzten Kursentwicklung. Bei Optionsgeschäften werden dann höhere Sicherheitsleistungen (Margin Call) fällig.

Der Rechtsstreit dreht sich um eine Liste, mit der die B&amp-G-Mitarbeiter die Risikopositionen ihrer Kunden prüften und die ihnen täglich von der Deutschen Bank zur Verfügung gestellt wurde. Viele Mitarbeiter des Vermögensverwalters hatten zuvor bei der Deutschen Bank gearbeitet und von dort die Liste gekannt. Dazu gehört etwa Michael Gehrsitz, der in Führungspositionen im Bereich Private Banking für die Deutsche Bank tätig war, bevor er im Jahr 2002 Gesellschafter und Geschäftsführer von B&amp-G wurde.

Die Deutsche Bank hat nach eigenen Angaben diese Liste nur B&amp-G zur Verfügung gestellt, anderen Kunden aber nicht. Offenbar betrachtet sie dies als besonderes Entgegenkommen. Ob ein professioneller Vermögensverwalter das Risiko seiner Kunden über eine solche Liste steuern kann oder ob er auch auf andere ihm zugängliche Informationsquellen zurückgreifen muss, darum dreht sich der Prozess im Wesentlichen.

Der Fehler liegt im System

In einem dieser Zeitung vorliegenden Schreiben an die Bafin vom September 2009 erklärte die Deutsche Bank, dass für den Wert der Risikoposition die Addition der sogenannten „Initial Margin“ und des „Liquidation Risk“ (Rückkaufswert) erforderlich sei. „Diese Addition wurde von der Bank nicht vorgenommen“, räumte sie darin ein. Aus der Summe ergibt sich die sogenannte „Total Margin“, also die erforderliche Sicherheitsleistung. Auf der Liste findet sich eine Spalte für die „Total Margin“. Doch die darin aufgeführten Werte wurden wegen der nicht erfolgten Addition zu niedrig ausgewiesen.

Die Deutsche Bank beruft sich darauf, dass die beiden Werte für den Vermögensverwalter jederzeit einsehbar waren. Denn dieser hatte einen Internetzugang zum Spezialprogramm Private Port Progress. Offenbar hat die Finanzaufsicht das ähnlich gesehen. Dem liegt wohl die Annahme zugrunde, dass ein professioneller Vermögensverwalter über die ihm zugänglichen Informationen hätte erkennen müssen, dass die Sicherheitsanforderungen in der Liste zu niedrig ausgewiesen worden waren. Der Vermögensverwalter sieht das natürlich anders.

Sein Anwalt Uwe Kötzing beruft sich auf Aussagen eines Mitarbeiters der Deutschen Bank. Dieser hatte im November 2011 vor dem Landgericht Karlsruhe gesagt: „Aus der Vermögensübersicht und den Unterlagen im Programm Private Port Progress ergab sich das Risikolimit an sich nicht.“ Dieses habe sich nur aus der dem Vermögensverwalter zur Verfügung gestellten Liste ergeben. Dort war es aber zu niedrig. In ihrem Schreiben an die Bafin hatte die Bank indessen erklärt, dass die beiden zur Berechnung des Risikolimits erforderlichen Werte B&amp-G gegenüber stets kommuniziert wurden.

Am 26. November 2008 erhielten die B&amp-G-Mitarbeiter einen Anruf von der Deutschen Bank mit der Bitte, am folgenden Tag in die Zentrale nach Frankfurt zu kommen. Dort wurden dann den Mitarbeitern des Vermögensverwalters neue Sicherheitsanforderungen mitgeteilt. Daraus resultierten deutlich höhere Sicherheitsleistungen, als bis dahin in der Liste ausgewiesen worden waren. Einige Kunden des Vermögensverwalters erlitten empfindliche Verluste, weil die Bank nach Aussage von Helmut Bardusch so weit ging, auch Kundenkonten glattzustellen. Das bedeutet, dass deren Verluste realisiert wurden.

Als langjähriger Kunde der Deutschen Bank schaffte er es sogar, am 23. September 2009 mit dem damaligen Risikovorstand Hugo Bänziger über das Problem zu sprechen. Doch das Treffen verlief aus Sicht von Bardusch erfolglos. Dass der Mitarbeiter der Deutschen Bank im November 2011 vor dem Landgericht Karlsruhe bezüglich des Rechenfehlers von einem bankweiten Problem sprach, bestätigte ihn in dem Verdacht eines Systemfehlers. Diesen hat aber die Bafin nicht erkannt.

Einen neuen Ansatzpunkt erhofft sich Bardusch, nachdem diese Zeitung am 27. April über den Prozess des norwegischen Großinvestors Alexander Vik gegen die Deutsche Bank berichtet hatte. Das Institut hatte in ihrer Eröffnungserklärung eingeräumt, dass ihre Handelsabteilung bis zum Jahr 2008 nicht in der Lage gewesen sei, die komplexen Instrumente richtig zu buchen, zu bewerten und deshalb korrekte Marginzahlungen zu verlangen. Das Anlagevehikel von Vik, die Sebastian Holdings, war sehr komplexe Devisenspekulationen eingegangen. Diese liefen offenbar nicht über die Londoner Terminbörse Liffe, anders als die Aktienoptionsgeschäfte von B&amp-G. Darüber hinaus hat Vik mit dem Investmentbanking der Bank zusammengearbeitet, dagegen B&amp-G mit der Vermögensverwaltung. Das bedeutet, dass jeweils unterschiedliche Buchungssysteme eingesetzt wurden. Die Deutsche Bank musste aber nachbessern. „Unsere Prozesse und Systeme wurden inzwischen verändert und aktualisiert“, sagte ein Sprecher. Am 17. Oktober steht vor dem Landgericht Karlsruhe der nächste Termin im Prozess B&amp-G gegen die Deutsche Bank an.